Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)

PICHORNER, Franz: Patente und Instruktionen für die Statthalter der Österreichischen Niederlande (1715–1726)

Franz Pichorner Zusammenfassung Die Protokolle und Vorträge der „Geheimen Konferenz“, des höchsten Beratungsgremiums am Wiener Hof, zeigen allgemein den Behörden­gang in der Zeit Karls VI. und speziell die Entstehung von Patenten und Instruktionen für die niederländische Regierung. In der Rückbesinnung auf altbewährte Strukturen versuchte die Wiener Regierung, die Stabilität in den Südlichen Niederlanden nach dem Spa­nischen Erbfolgekrieg wiederherzustellen. Unter seinem Vorsitz ließ Prinz Eugen - von 1716 bis 1724 Generalgou­verneur der Südlichen Niederlande - seine eigene und die Instruktion seines Stellvertreters entwerfen. Man glich die Regierungsanweisungen für den Prinzen den Instruktionen des letzten spanischen Statthalters, Max Emanuel von Bayern, an. Dessen Instruktionen basierten auf jenen des 16. und 17. Jahrhunderts, die die niederländischen Statthalter seit Margarete von Österreich, Maria von Ungarn, Margarete von Parma über die Erzherzoge Ernst und Albert bis zu Kardinalinfant Ferdinand erhalten hatten. Unter Karl V. waren die Regentschaften, die er bevor­zugt mit Mitgliedern seiner Familie besetzte, die Stützen seiner Regie­rung. Ein wohldurchdachtes System von Vollmachten des Statthalters und Vorbehaltsrechten des Kaisers, sowie eine umfangreiche politische Korrespondenz ermöglichten dem Kaiser jene genaue Meinungsbil­dung und Entscheidungsfindung, die seine Präsenz in den Niederlan­den auch während seiner persönlichen Abwesenheit sicherten. Karl VI. schloß an diese Tradition an, als er seine älteste Schwester, Erzherzogin Maria Elisabeth, 1725 mit der Statthalterschaft in den Südlichen Nieder­landen betraute. Deren offengelegte und geheime Instruktionen spie­geln die Wechselwirkung von Vollmacht des Statthalters und Vorbe­haltsrecht des Kaisers wider. Dieses Wechselspiel ist an den Instruktio­nen für Prinz Eugen nur indirekt nachzuweisen. Erst nach der Konsolidierung der österreichischen Herrschaft und nach der Einrichtung eines funktionierenden Regierungssystems (Gründung des „Conseil Supreme des Pays-Bas“ in Wien; Wiederherstellung der Kollateralräte in Brüssel) wandte man in Wien erhöhte Sorgfalt bei Ab­fassung und Formulierung der Instruktionen für die niederländischen Statthalter an. Die „doppelten Instruktionen“, jene für Graf Daun („in­struction particuliére“ und „instruction secrete“) und jene für Erzherzo­gen Maria Elisabeth („instruction générale“ und „instruction reser- vada“) — in der Geheimen Konferenz unter Beiziehung spanischer und niederländischer Räte entstanden - lassen die Adaption spanischer An­weisungen des 16. und 17. Jahrhunderts und die Übernahme zahlrei­cher Topoi klar erkennen. 150

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