Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)

PICHORNER, Franz: Patente und Instruktionen für die Statthalter der Österreichischen Niederlande (1715–1726)

Franz Pichorner mandant namentlich genannt39). Am 23. April zirkulierten in der Gehei­men Konferenz Berichte des Grafen Lothar Königsegg aus den Nieder­landen. Die niederländischen Stände, so lasen die Minister in Wien, „parieren dem grafen in nichts und wollen den truppen kein geld ge­ben “40). Königsegg berichtete über die religiöse Problematik in den Nie­derlanden, die durch die Anwesenheit der protestantischen holländi­schen Barrieresoldaten und durch die heftige Auseinandersetzungen zwischen Jansenisten und Jesuiten verschärft wurde. Er sprach über die Justizbehörden und schließlich über die Inauguration Karls VI. in den verschiedenen niederländischen Provinzen, die die Stände dort nur nach der Änderung bestimmter Punkte aus dem Barrierevertrag vom 15. November 1715 durchführen wollten. Erst wenige Wochen vorher hatten die Stände von Brabant und Flandern durch ihre Deputierten in Wien heftig gegen diesen Barrierevertrag protestiert41). Dieser Vertrag, so die Stände, verletzte die katholische Religion und die Interessen des Kaisers, vor allem aber verstieße er gegen die niederländischen Verfas­sungen und Privilegien. Würde der Kaiser nicht einen Minister ernen­nen, der die Engländer und die Generalstaaten auf die Widersprüche in diesem Vertrag aufmerksam machte und eine Modifikation erreichte, sahen die Deputierten keinen Weg, auf dem man bald zu der lang ge­wünschten Inauguration des Kaisers in den Niederlanden und zu einer Kombination von Barrierevertrag mit der „Joyeuse Entrée“, der Verfas­sung von Brabant, bald gelangen könnte42). Obwohl die Klagen der Niederländer den Ministern in Wien teilweise berechtigt schienen, trachteten sie doch in einer eigenen Sitzung am 17. April 1716, wie man die Deputierten so rasch wie möglich loswerden könnte43). Einen ge­schlossenen und ratifizierten Vertrag zu ändern war eine schwere Sa­che. Auch wollte man mit den Seemächten, deren Unterstützung man bedurfte, in keinen Konflikt geraten. Schließlich einigte sich die Konfe­renz, daß Marchese di Prié auf seiner Reise in die Niederlande im Haag versuchen sollte, eine Modifikation der Bestimmungen des Barrierever­trags zu erreichen. Ihn sollten einige niederländische Deputierte be­gleiten, da diese den Holländern gegenüber glaubwürdiger die Verlet­zung ihrer Privilegien nachweisen könnten. Es würde die Stände be­sänftigen, dürften sie um ihrer Sache willen selbst sprechen; für einen 39) HHStA, StK Vorträge R 20, fol.251r. 40) Ebenda. 41) Vgl. HHStA, StK Vorträge K 20, fol. 249r-250v; Belgien DD A Vorträge, Fasz. 1, fol. 3r-32v, Vortrag des Grafen Gundaker Starhemberg vom 16. April 1716 an Rari VI. über die Vorstellungen der niederländischen Deputierten. 42) Vgl. HHStA, Belgien DD A Vorträge Fasz. 1, fol. 3r-32v. 43) Vgl. HHStA, StK Vorträge K 20, fol. 249r-250v. 138

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