Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)

PICHORNER, Franz: Patente und Instruktionen für die Statthalter der Österreichischen Niederlande (1715–1726)

Franz Pichorner „politica, oeconimica und militaria“ dort beraten werden. Die Justi­zangelegenheiten wären jedoch ausschließlich dem Großen Rat von Mecheln und den dafür bestimmten Provinzräten zuzuweisen29). Die Auswahl und die Anzahl der Personen, die in diesen Regierungsrat aufgenommen werden könnten, sollte erst nach gründlicher Informa­tion durch den Stellvertreter Eugens aus den Niederlanden erwogen werden. Vorläufig waren als Kandidaten für diesen Regierungsrat nur der Erzbischof von Mecheln, der nach dem Prinzen kommandierende Truppengeneral, ein „zeitlicher cantzier“ und der Chef der Finanzen genannt. Das genaue Verhalten des Stellvertreters bis zur endgültigen Errichtung einer Regierung in den Niederlanden, sollte mit diesem noch besprochen werden. Vorläufig könnte gelten, was am 9. Oktober Graf Lothar Königsegg diesbezüglich befohlen worden war30). Die Konferenz kam schließlich zu der Auffassung, daß es am geschickte­sten wäre, wenn die niederländischen Stände „in ihrem ersten eyffer und frohlocken“ den Eid auf den neuen Souverän vor dem Grafen Kö­nigsegg ablegen würden31). Am Ende dieses Vortrages an den Kaiser wurde die Notwendigkeit eines starken Heeres in den Niederlanden gefordert. Der künftige Statthalter und sein Stellvertreter sollten da­her zur größten Sparsamkeit und zur klugen Verwaltung der Finan­zen ermahnt werden. Das Referat, von Buol unterfertigt am 11. No­vember 1715 dem Kaiser übergeben, kam am 26. November mit sei­nem eigenhändigen Vermerk placet in toto dis referat“ zurück32). Die nächste Beratung der Geheimen Konferenz fand am 3. Dezember 1715 statt, es fehlte aber Fürst Trautson. Aus Buols lateinischem Sit­zungsprotokoll erfährt man, daß sich Karl VI. als Stellvertreter für Prinz Eugen in den Niederlanden inzwischen für den bewährten, aus Piemont stammenden Diplomaten, Marchese di Prié entschlossen hatte33). In 29) Ebenda, fol. 121 r. 30) HHStA, Belgien DD A Depeschen, Fasz. 1, 9. Oktober 1715. 31) Die Inauguration Raris VI. in den Niederlanden fand seit Februar 1717 statt. Am 21. Februar 1717 für Luxemburg, am 11. Oktober in Brüssel für die wieder vereinigten Provinzen Brabant und Limburg; am 18. Oktober in Gent für Flandern. Am selben Tag wurde der Kaiser auch in Hennegau und Namur sowie in der Herrschaft Mecheln inthro­nisiert. Für Geldern fand die Inauguration zu Beginn des Jahres 1719, für West-Flandern und in der Provinz Tournai gar erst im Februar 1720 statt. In West-Flandern und Tournai nahm für den Kaiser Prinz Ligne den Eid der Stände entgegen, in den übrigen Provinzen ließ sich der Kaiser durch Marchese di Prié vertreten. Vgl. Reginald De Schryver, Les prétentions autrichiennes ä l’héritage des Habsbourgs d’Espagne. Les Pays-Bas du Sud pendant la Guerre de Succession d’Espagne 1700-1716, in: Hervé Hasquin (Hrsg.), La Belgique autrichienne. Les Pays-Bas méridionaux sous les Habsbourgs d’Autriche, Bru­xelles 1987, 30. 32) HHStA, StK Vorträge K 20, fol. 123 r. 33) Ercole Giuseppe Luigi Turinetti Marchese di Prié (1658-1726) war seit Anfang 136

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