Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)

PICHORNER, Franz: Patente und Instruktionen für die Statthalter der Österreichischen Niederlande (1715–1726)

FRANZ PICHORNER PATENTE UND INSTRUKTIONEN FÜR DIE STATTHALTER DER ÖSTERREICHISCHEN NIEDERLANDE (1715-1726). Ein Beitrag zu ihrer Entstehung Der Versuch am Beginn des 18. Jahrhunderts, in der Tradition des 16. Jahrhunderts das burgundische und das spanische Erbe mit dem Raisertitel zu einem Reich zu vereinigen, scheiterte am heftigen Wider­stand der benachbarten Mächte. In der europäischen Geschichte be­ginnt mit dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) das Zeitalter des Gleichgewichts der Mächte und damit die Vorstellung, Länder willkür­lich teilen oder vertauschen zu können1)- Die Seemächte England und Holland wollten weder ein französisch-spanisches, noch ein österrei­chisch-spanisches Weltreich dulden. Aus unterschiedlichen Gründen war man weder im Haag noch in Wien, weder in London noch in Ma­drid mit einer französischen Eroberung der Südlichen Niederlande ein­verstanden. Die Erhaltung dieser Provinzen wurde in Europa zu einem wesentlichen Bestandteil der Gleichgewichtspolitik, die sich im Haager Bund (1686), in der Augsburger Liga (1689) und in der Großen Allianz (1701) manifestierte. Schon zur Zeit der spanischen Habsburger war den Generalstaaten der Vereinigten Niederlande das Recht eingeräumt worden, eine Reihe südniederländischer Festungen an der französi­schen Grenze mit ihren eigenen Truppen zu besetzen. Die Franzosen sollten durch diese Festungen „wie durch eine Barriere“ in Schranken gehalten werden2). Im fünften Artikel des Haager Allianzvertrages vom 7. September 1701 hatten sich die Verbündeten verpflichtet, mit aller Kraft die Eroberung der Spanischen Niederlande anzustreben, damit dieselben als ein „dämm und ein Siegel oder als barriére dienen möchten“, durch die Frankreich von den Vereinigten Niederlanden entfernt und 1) Vgl. Werner Hahlweg, Barriere - Gleichgewicht - Sicherheit. Eine Studie über Gleichgewichtspolitik und Strukturwandel des Staatensystems in Europa 1646-1715, in: Historische Zeitschrift 187(1959) 54-89; Heinz Duchhardt, Gleichgewicht der Kräfte, Convenance, Europäisches Konzert. Friedenskongresse und Friedensschlüsse vom Zeitalter LudwigsXIV. bis zum Wiener Kongreß, Darmstadt 1976; Karl Otmar von Aretin, Das Reich. Friedensgarantie und europäisches Gleichgewicht 1648-1806, Stuttgart 1986. 2) Der Nutzen dieser Barriere hatte sich bereits 1701 als fragwürdig erwiesen, als die Franzosen in kurzer Zeit die holländischen Garnisonen überrumpelt hatten. Vgl. Alfred F. Pribram, Österreichische Staatsverträge. England, Innsbruck 1907 (= Veröffentlichun­gen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 3) 219 f. 128

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