Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 42. (1992)
ERNST, Hildegard: Geheimschriften im diplomatischen Briefwechsel zwischen Wien, Madrid und Brüssel 1635–1642
Hildegard Ernst frierliste keine andere Möglichkeit bot. Von den Silbenzeichen machte der Sekretär kaum Gebrauch. Solche Vorlieben für bestimmte Geheimelemente machten natürlich die Absicht des Chiffrenkonstrukteurs, die Anwendung der Häufigkeitsstatistik zu erschweren, zunichte. Der beste Schlüssel nützte also nichts, wenn der Ziffernsekretär nachlässig war. Die Blender konnten vermutlich auch nicht immer die gewünschte irreführende Wirkung erzielen. Im Code D ist dafür die Zahl 598 vorgesehen. Sie fällt derart aus dem Rahmen des Systems , daß sie leicht zu erkennen war. Sie wurde auch in den mir vorliegenden Kryptogrammen nicht benutzt, auch nicht vom Schreiber des oben vorgestellten Beispiels, obwohl sie in dieses nahtlose System unauffällig hätte integriert werden können. Schönburgs Sekretär machte häufigen Gebrauch von den zahlreich in Code A vorgesehenen Nullas. Er streute sie über den ganzen Text aus, meist mitten in die einzelnen Wörter. Er machte aber einen Fehler, der m. E. bei einem aufmerksamen Kryptoanalytiker zur Entlarvung der Blender führen mußte: Sie erschienen ganz konsequent zu Beginn jeder Seite sowie am Anfang und am Ende eines jeden Absatzes, wenn auch leicht mit echten Geheimelementen durchmischt, aber doch massiv gehäuft im Vergleich zum restlichen Text. Hier jeweils die ersten und die letzten Zeichen der ersten Absätze eines ganz durchchiffrierten Schreibens vom 12. September 165817) (die Blender sind die Zahlen von 90 bis 99 und die Zeichen ó 6 $): 6 . 90 . 3 . Ó ... 90 . b . 3 . # w . 90 . 8 ... (Ende des Blattes) 8 . 94 . 24 . 90 ... 5. R . 24 . 98 . ó F . 8 . # . 90 . Ó . 95 ... 8. J . 98 . 91 . g . 3 . f . ó Zum Ausgleich für diese Schwachstelle war Schönburgs Sekretär sehr sorgfältig in der gleichmäßigen Verwendung der übrigen Geheimzeichen, und er erlaubte sich auch nicht, aus Bequemlichkeit immer wieder Klartextwörter in das Kryptogramm einzustreuen. Bei den Angriffsflächen, die die hier vorgestellten Schlüssel bereits im System boten und bei den Einbruchsmöglichkeiten, die durch die unbedachte oder nachlässige Durchführung der Chiffrierung hinzukamen, muß man wohl davon ausgehen, daß die gegnerischen Ziffernsekretäre in der Lage waren, die von der Reichskanzlei verwendeten Codes zu brechen. Die Frage ist aber, ob man die erforderliche 17) Schönburg an Ferdinand III., 12. September 1638, HHStA, Kriegsakten, Fasz. 123, fo). 117-121. 114