Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41. (1990)

KUPRIAN, Hermann J. W.: „ …damit auch die Begabteren in Hinkunft dem Archivdienste treu bleiben…“. Ein Beitrag zur Geschichte des österreichischen Archivwesens 1892–1923

Hermann Kuprian als er in der von der Statthalterei und dem Oberlandesgericht appro­bierten Archivordnung den Beamten einen zeitlichen Freiraum für For­schungszwecke konzedierte, freilich mit der Einschränkung, es dürfe darunter keinesfalls der Dienstbetrieb leiden33). Immerhin hofften sie, daß dadurch auch „die Begabteren in Hinkunft dem Archivdienst treu bleiben“ würden34). Spätestens seit der 1906 erfolgten Abberufung Schwartzenaus35) mußte Mayr jedoch klar werden, wie sehr sein Engagement für das Innsbruk- ker Archiv sowohl vom Wohlwollen seiner Förderer als auch von der Willkür der Ministerialbürokratie abhing. Die bislang erfolgreiche Aus­gestaltung des Innsbrucker Archivs, inzwischen eine der größten und angesehensten Anstalten der Doppelmonarchie, stagnierte trotz Ver­schärfung der jährlichen Tätigkeitsberichte, bis diese Tendenz im Jahre 1915 einen Höhepunkt erreichte. Sein Bericht vom 1. Jänner 1914 bis 30. Juni 1915, worin er nicht nur die unnötige Verschleppung der Archi- valien-Austauschverhandlungen mit Bayern seitens der Wiener Behör­den bedauerte, sondern mehr noch die unwürdige, mit gesundheitli­chen Folgen verbundene36) Unterbringung des Archivpersonals, aber auch wertvoller Aktenbestände kritisierte37), wurde vom Ministerium des Innern Statthalter Friedrich Graf Toggenburg38) mit der Anfrage retourniert, „in welcher Weise der Ungehörigkeit begegnet worden ist, die sich der Berichterstatter mit der mißbräuchlichen Verwendung eines Tätigkeitsberichtes des dortigen Archivs... zur Kritisierung seiner Vorgesetzten und zur Vertretung seiner persönlichen Ambitionen zu­33) Vgl. Richter Mayr 36f.; Kramer Geschichtsforscher 480; ders. Mayr 238. Im Wie­ner Haus-, Hof- und Staatsarchiv wurde vergleichsweise diese Bestimmung erst am 9. August 1920 in die Archivordnung aufgenommen. Ludwig Bittner Das Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv in der Nachkriegszeit in Archivalische Zeitschrift 35(1925) 141-203, hier 195. 34) TLA, Statth.-Präs., ZI. 3.288-I-6c-2-1915, Promemoria vom 8. Dezember 1915. 35) Schwartzenau wurde im März 1906 aufgrund seiner offenbar zu großen Konzes­sionsbereitschaft gegenüber den italienischen Autonomieforderungen für Welschtirol abberufen. Vgl. Bundsmann Landeschefs 203f. 36) Laut Aussage der Ärzte führte der lange Aufenthalt Mayrs in seinem kalten und feuchten Archivzimmer Anfang 1915 zu einer lebensgefährlichen Nierenerkrankung, die eine Operation notwendig machte. Vgl. TLA, Statth.-Präs., ZI. 3288-I-6c-2-1915, Kopie des vom Ministerium des Inneren nicht akzeptierten Berichtes (Abschnitt: Archiverfor­dernisse) samt Begleitschreiben vom 20..Juli 1915 an den Statthalter. 37) Ebenda. 38) Über Friedrich Graf Toggenburg (1866-1956) siehe Franz Hieronymus Riedl Friedrich Graf Toggenburg (1866-1956). Herr und Landmann in Tirol in guten und bösen Zeiten in Der Schiern 40(1966) 413 ff.; Otto Stolz Geschichte des Landes Tirol, Innsbruck 1955 676. 200

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