Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41. (1990)

KUPRIAN, Hermann J. W.: „ …damit auch die Begabteren in Hinkunft dem Archivdienste treu bleiben…“. Ein Beitrag zur Geschichte des österreichischen Archivwesens 1892–1923

Zur Geschichte des österreichischen Archivwesens schulden kommen ließ“59). Gleichzeitig wurde ein neuer Bericht mit der Begründung angefordert, daß der Archivdirektor, „dem seine subor­dinierte Stellung bereits wiederholt39 40) ... ins Gedächtnis gerufen wer­den mußte, auch an anderen Stellen“ übergreife41). Dieser Vorfall bot Mayr die Gelegenheit, Toggenburg ausführlich über seine jahrelangen Bemühungen um die Reformierung des österreichi­schen Archivwesens und die daraus entstandenen Gegnerschaften zu informieren. Er stellte zunächst nicht in Abrede, daß seine schroffe Ton­art und die „ungehörigen Bemerkungen“ der Grund für diesen Verweis seien, doch „in dem so vieljährigen, ergebnislosen Bemühen um eine gute Sache“ sowie „im Gefühle wohl unverdienter persönlicher Gegner­schaften werden die Worte leicht bitterer, als sie sein sollten“42). War er doch bereits im Zuge der Umgestaltung des Innsbrucker Archivs zu einer „wissenschaftlichen Musteranstalt“ nach ausländischem - allen voran nach deutschem - Vorbild auf erheblichen Widerstand der Wie­ner Zentralbürokratie gestoßen43), so lud er zu allem Überfluß durch seine entschiedene Kritik an der Effizienz des seit 1894 bestehenden Archivrates den „heiligen Zorn“ jener Professorenkreise auf sich, die dieses Gremium beherrschten44). „Obwohl ich selbst Professor werden 39) TLA, Statth.-Präs., ZI. 16.146/M.d.I. vom 26. August 1915 (liegt bei ZI. 3.288- I-6c-2-1915). 40) Vgl. AVA, M.d.L, ZI. 13.092, Erlaß vom 5. Mai 1908 und ZI. 2.843/M.d.I. vom 16. April 1913. 41) Ebenda. Gemeint war damit der oben erwähnte Vorwurf Mayrs über das augen­scheinliche Desinteresse der österreichischen Regierung hinsichtlich des Archivalien­austausches mit Bayern. 42) TLA, Statth.-Präs., ZI. 3.288-I-6c-2-1915, Begleitschreiben zum Promemoria vom 8. Dezember 1915. 43) Vgl. etwa Michael Mayr Über staatliches Archivwesen in Österreich in Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung Wien 1903 116ff.; ders. Zum österreichi­schen Archivwesen in Deutsche Geschichtsblätter 5/11—12(1904) 315-330; ders. Zur Pflege der Pfarr- und Gemeindearchive in Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs 10(1913) 1-18; ders. Staatliches Archivwesen und Verwaltungsreform in Reichspost vom 7. September 1907. 44) In seinem Aufsatz über das österreichische Archivwesen sprach Mayr dem Ar­chivrat rundweg die Zuständigkeit an der seit 1893 begonnenen staatlichen Archivorga­nisation ab, weil sich dieser seiner Ansicht nach viel zu wenig an der wissenschaftlichen Vorbildung der Archivare, an den Grundzügen einer Archivordnung sowie an den Richt­linien bei der Aktenausscheidung von Gerichtsbehörden orientiere. Mayrs Lösungsvor­schlag ging dahin, den Archivrat zu einem wirklich fachmännischen Beirat auszugestal­ten, in dem auch die Leiter der Provinzialarchive Berücksichtigung finden würden (Vgl. Mayr Archivwesen 515ff., Goldinger Archivwesen 41). Wesentlich versöhnlicher fiel seine Kritik allerdings zehn Jahre später aus, als er - seit 1908 selbst engagiertes Mit­glied des Archivrates und Konservator der k. k. Zentralkommission für kunst- und histo­rische Denkmale - dem neuen „Zeitgeist“ huldigte und sich über die erfolgte Kompe­201

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