Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41. (1990)
BROUCEK, Peter: Ungedruckte Prüfungsarbeiten aus Österreich zur österreichischen Militärgeschichte bis 1988
Rezensionen und Karl Körinek („Sozialpartnerschaft und Parlament“, S. 613-650) Stellung. Heinrich Neisser diskutiert in seiner detailreichen Studie „Die Kontrollfunktion des Parlaments“ (S. 651-721) ausführlich Defizite und Reformmöglichkeiten der parlamentarischen Kontrolle. ln gleicher Weise behandelt Walter Schwab den „Rechnungshof als Organ der parlamentarischen Finanzkontrolle“ (S. 757-773). Siegbert Morscher („Parlament und direkte Demokratie“, S. 775-805) stellt die Formen der direkten Demokratie im Rahmen der Bundesverfassung dar, greift die Wahlreform von 1970 an und plädiert für eine „vernünftige Erweiterung“ der Einrichtungen der direkten Demokratie. Knapp, aber anregend behandelt Peter Jann („Parlament und Massenmedien“, S. 807-819) die Rolle von Presse und Fernsehen im parlamentarischen System Österreichs. Ludwig Adamovich („Rechtsbereinigung als Aufgabe des Gesetzgebers“, S. 823-832) beklagt die fehlende Kontinuität der Rechtsbereinigung, die alle legistischen Formen betrifft, vom Bundesverfassungsgesetz über die nostrifizierten deutschen Gesetze der Jahre 1938 bis 1945 bis hin zu (überflüssigen) Geboten und Verboten in Einzelgesetzen. Darüber hinaus erscheint ihm die Stärkung des wissenschaftlichen Dienstes und der Fachkompetenz des Parlaments unausweichlich. Sprachliche Mängel und unnötig gespreizte Ausdrücke in Gesetzen kritisiert Fritz Schönherr in „Sprache und Technik der Gesetze“ (S. 833-851). Er verweist auf den Verfassungsauftrag, Gesetze so einfach wie möglich zu formulieren, und gibt Anregungen, wie Sprachhülsen und Wortungetüme zukünftig vermieden bzw. bei Wiederverlautbarung beseitigt werden könnten. Anhand der bekannten Umfragen zum Parlamentsbild in der österreichischen Öffentlichkeit von 1970 und 1980 analysiert Hubert Feichtlbauer („Parlamentarismus und öffentliche Meinung in Österreich“, S. 853-869). Abschließend zeichnet Herbert Schambeck nochmals die „Entwicklungstendenzen der Demokratie in Österreich“ (S. 871-903) im 19. und 20. Jahrhundert nach. Der historische Teil des Sammelbandes berücksichtigt die parlamentarische Entwicklung vom Neoabsolutismus bis in unsere Zeit, enthält aber kaum Neues zur Parlamentsgeschichte vor 1945 - Ausnahmen bilden vor allem die Aufsätze von Hobelt bzw. Czerny - und faßt bedauerlicherweise den Forschungsstand nicht zusammen. Während dem Juristen der unvermittelte Sprung von der Ersten zur Zweiten Republik in seinen Ausführungen möglich ist, sollte dies nicht für Historiker gelten. Es fehlt beispielsweise ein eigenständiger Aufsatz über das Ende des Parlamentarismus im März 1935, auch wenn verschiedentlich auf die Vorgänge hingewiesen wird. Die Zeit des Ständestaates und der nationalsozialistischen Herrschaft werden völlig ausgeblendet, obwohl Nationalrat und Bundesrat nach 1945 auch das rechtliche und politische Erbe dieser Jahre bewältigen mußten. Doch auch die parlamentarischen Entwicklungen in den Jahren 1917 und 1918 werden nicht behandelt, obwohl für die Frage der Kontinuität von der Monarchie zur Republik gerade die letzten Monate der Herrschaft Kaiser Karls wesentlich sind. Die historischen Beiträge bleiben meist auf einer „höheren“, verfassungstheoretischen Betrachtungsebene und lassen Einblicke in den parlamentarischen Alltag und die parlamentarische Praxis vermissen. Über die Parlamentarier der verschiedenen Epochen ist biographisch wie soziologisch nichts zu erfahren. Erstaunlicherweise wird aber auch das in der Politikwissenschaft gerne am Beispiel Österreichs diskutierte Modell der parteipolitischen Versäulung einer Gesellschaft in seiner Bedeutung für das österreichische parlamentarische System in keinem der 28 Beiträge aufgegriffen. Aus dem Blickwinkel der Geschichtswissenschaft ist daher der Sammelband zu Österreichs Parlamentarismus wenig befriedigend. Er zeigt vielmehr Defizite auf und muß als Aufforderung zu weiteren Forschungen, insbesondere zur Parlamentsgeschichte der Monarchie, verstanden werden. Robert Luft (Mainz) 430