Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41. (1990)

KUPRIAN, Hermann J. W.: „ …damit auch die Begabteren in Hinkunft dem Archivdienste treu bleiben…“. Ein Beitrag zur Geschichte des österreichischen Archivwesens 1892–1923

Zur Geschichte des österreichischen Archivwesens riellen Behandlung der Archive und im Stellenwert der Archivbeamten innerhalb des sozialen Gefüges. Freilich impliziert dieser Problemkreis auch die Forderung nach einer ebenso rationellen inneren Organisa­tion wie möglichst freien Zugänglichkeit von Archiven und deren Be­ständen, um dadurch eine umfassendere wissenschaftliche Aufarbei­tung gewährleisten zu können. Es wird dabei allerdings leicht überse­hen, daß diese Idee keineswegs in den Ursprüngen des Archivwesens begründet liegt. In Österreich begannen sich jedenfalls erst um die Mitte des 19. Jahr­hunderts immer stärker jene Impulse bemerkbar zu machen, die vom Haus-, Hof- und Staatsarchiv3) unter der Leitung von Alfred Arneth5 6) sowie vom Institut für Österreichische Geschichtsforschung7) unter Theodor Sickel8) ausgegangen waren, nämlich eine größtmögliche Ver­bindung und Koordination von praktischer Archivarbeit mit Wissen­schaft und Forschung zu fördern. Diese Tendenz setzte aber eine funda­mentale Änderung des Berufs- und Verwendungsbildes des Archivars voraus, dessen Tätigkeit sich immer stärker weg von ausschließlicher Registratur und Verwaltung von Akten in Richtung Forschung und fach­männischer Organisation entwickeln sollte. Die fachliche und organisatorische Ausgestaltung des österreichischen Archivwesens hielt indes praktisch weder mit den Ansprüchen der hi­storischen Forschung noch mit den wachsenden administrativen Be­dürfnissen einer ausgesprochen zentralistischen Verwaltung Schritt. Es konnte daher nicht überraschen, daß die neoabsolutistische Staatsfüh­rung nach 1850 daran dachte, durch den Bau eines Reichsarchivs, „das beide Zweige, aus denen sich die österreichischen Archive entwickelt hatten, in sich begreifen sollte“9), die Verwaltung der Monarchie in 5) Zur Geschichte des Haus-, Hof- und Staatsarchivs vgl. Ludwig Bittner Gesamtin­ventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Band 1, Wien 1936, 9-202. 6) Über Alfred von Arneth (1819-1897) siehe Paul Christoph Alfred von Arneth in Neue Österreichische Biographie, Band 10, Zürich/Leipzig/Wien 1957 46-60; Alexander Novotny Alfred Ritter von Arneth in Neue Deutsche Biographie, Band 1, Berlin 1953 354 f.; Österreichisches Biographisches Lexikon (=ÖBL), Band 1, Graz/Köln 1957 29. 7) Über das Institut für Österreichische Geschichtsforschung vgl. Otto Brunner Das österreichische Institut für Geschichtsforschung und seine Stellung in der deutschen Geschichtswissenschaft in MIÖG 52(1938) 385—416; Alphons Lhotsky Geschichte des In­stituts für österreichische Geschichtsforschung 1854 - 1954 MIÖG, Ergänzungsband 17, Graz/Köln 1954. 8) Zu Theodor von Sickel (1826-1908) vgl. Wilhelm Erben Theodor Sickel in Mittel­deutsche Lebensbilder 3(1928) 452—468; ders. Theodor Sickel. Umrisse seines Lebens und Schaffens in Historische Vierteljahresschrift 3(1908), 332-359; ders. Zum 100. Geburtstag Theodor Sickels in Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 66(1926) 1- 4; Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte 3 München 1975 2637f. 9) Goldinger Archivwesen 2. 195

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