Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41. (1990)

PERGER, Richard: Der Aufruhr im Stift Klosterneuburg 1513 und seine Folgen

Richard Perger Instanzen, die dagegen einschritten, waren die theologische Fakultät der Wiener Universität und das niederösterreichische Regiment. Das Bistum Wien, dessen Sprengel nur wenig über das Stadtgebiet hinaus­reichte, war bis Ende 1513 unbesetzt und wurde durch den Bischof von Raab (Győr), d.h. vom „Ausland“ aus, verwaltet. Für den übrigen Teil Österreichs war der Bischof von Passau, Wiguleus Fröschl von Marzoll (1500-1517), ebenfalls ein „Ausländer“, zuständig. Zu seiner Diözese gehörte auch das wittelsbachische Niederbayern, er besaß als Reichs­fürst ein kleines Territorium mit der Stadt Passau als Zentrum und war kraft seiner Besitzungen in Bayern und Österreich Mitglied der Land­stände beider Herzogtümer, mußte also stets zwischen dem habsburgi­schen und dem wittelsbachischen Machtbereich lavieren. In geistlichen Belangen ließ er sich im östlichen, österreichischen Teil seiner Diözese durch einen Offizial, Dr. Georg Prenner, vertreten, der in Wien resi­dierte, wo er zwar keine bischöfliche Jurisdiktion besaß, aber Mitglied des Domkapitels und der juridischen Fakultät der Universität war: All dies machte die Sache noch komplizierter6). Übrigens lebte damals die alte Feindschaft zwischen den Studenten der Universität und den Wie­ner Handwerkern wieder auf, es kam zu unerfreulichen Auseinander­setzungen und das Regiment mußte eingreifen7). Diese unruhige und spannungsgeladene Atmosphäre erfaßte auch das Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg, eines der ältesten Klöster des Landes unter der Enns8). Der jeweilige Propst hatte Sitz und Stimme in der Prälatenkurie der Landstände9). Die Chorherren beklei­6) Siehe z. B.: Viktor Flieder Stephansdom und Wiener Bistumsgründung (Veröffent­lichungen des kirchenhistorischen Instituts der katholisch-theologischen Fakultät der Uni­versität Wien 6, Wien 1968) 206-213, 229-233; Franz Loidl Geschichte des Erzbistums Wien (Wien-München 1983) 28-36. Zu Wiguleus Fröschl Tomek Kirchengeschichte 2 147-149. Zu Georg Prenner Ludwig Heinrich Krick Das ehemalige Domstift Passau und die ehemaligen Kollegiatstifte des Bistums Passau (Passau 1922) 53; Hermann Göhler Das Wiener Kollegiat-, nachmals Domkapitel zum hl. Stephan in seiner persönlichen Zu­sammensetzung in den ersten zwei Jahrhunderten seines Bestandes 1365-1554 (phil.Diss. Wien 1932) 457-461 n.288; Paul Uiblein Die Akten der theologischen Fakultät der Uni­versität Wien (1396-1508) (Wien 1978) 642. Zur Zugehörigkeit des Bischofs von Passau zur Herrenkurie der Landstände Österreichs Helmuth Stradal Die Prälaten in Herr­schaftsstruktur und Ständebildung hg. von Michael Mitterauer, 3 (Wien 1973) 73, 77. 7) Kink Geschichte 1/1 228f. Anm. 266; ders. Mitteilungen aus dem Matrikelbuch der rheinischen Nation bei der k. k. Universität in Wien (Wien 1852) 14f. 8) Siehe z.B.: Albert Starzer Geschichte der landesfürstlichen Stadt Klosterneuburg (Klosterneuburg 1900) 305-393; Berthold Cernik Klosterneuburg - geschichtliche Daten (Wien 1958); Floridus Röhrig Klosterneuburg (Wiener Geschichtsbücher 11, Wien-Ham­burg 1972); Floridus Röhrig - Herbert Fasching Stift Klosterneuburg und seine Kunst­schätze (St. Pölten-Wien 1984). 9) Zur Zugehörigkeit des Propstes von Klosterneuburg zum Prälatenstand Öster­reichs unter der Enns Stradal Die Prälaten 74. 16

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