Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 40. (1987)

LUNITZ, Martin: Diplomaten im 16. Jahrhundert. Zum Problem der Finanzierung ständiger Gesandtschaften am Beispiel der Botschafter Kaiser Karls V. in Frankreich und England

4 Martin Lunitz Politik betrieben wurde, erstreckte sich auch auf die Kontakte mit den anderen europäischen Staaten. Ihr Ausdruck ist die allmähliche Verbreitung der stän­digen Gesandtschaften in Europa. Maximilian I. konnte nun die burgundischen Diplomaten zusammen mit den Gesandten aus den österreichischen Erblanden und dem Reich für seine Außenpolitik einsetzen. Und der Zufall wollte es, daß seinem Enkel Karl, dem zukünftigen Kaiser, seit 1516 neben den burgundischen auch die kastilischen und aragonesischen Botschafter zur Verfügung standen. A III Nach dem bisher Gesagten ist es nicht mehr verwunderlich, daß unser erster Versuch, die materielle Versorgung der Diplomaten Karls V. zu klären, in die Archive der ehemaligen burgundischen Niederlande führt. Die wichtigste Quelle zur Überprüfung der tatsächlich erfolgten Zahlungen an die in der Diplomatie Karls tätigen Personen ist die Reihe der Comptes du Receveur Général de l’empereur, soweit dies Frankreich, die britischen Inseln, das Reich und die an Nord- und Ostsee angrenzenden Länder betrifft. Allerdings ver- zeichnete der Generaleinnehmer in seinem Rechnungsbuch unter der Ausga­benrubrik „ambassades et gros voiaiges“ Zahlungen an einen außerordentli­chen Gesandten, beispielsweise zum Herzog von Lothringen, neben denen für einen Sekretär, der nach Antwerpen reiste, um von der dortigen Kaufmann­schaft Geld zu leihen. Der ständige Gesandte am englischen Hof findet sich dort ebenso8) wie eine Abordnung von Räten und Sekretären des Fürsten zur Ständeversammlung im Hennegau. Diese Tatsache wirft ein bezeichnendes Licht auf den damaligen Begriff der Diplomatie9), doch für unsere Zwecke gilt es, Eingrenzungen vorzunehmen. Wir beschränken uns auf die Diplomatie im engeren, modernen Sinne: auf die Pflege der Beziehungen zwischen unabhän­gigen Staaten und die in diesem Bereich eingesetzten Personen10). 8) Die Tatsache, daß die ständige Gesandtschaft nicht anders wie diejenigen von Fall zu Fall behandelt wurde, verleitete Gachard zu der Annahme, die ständigen Gesandt­schaften seien in den Comptes du Receveur Général nicht verzeichnet. Man betrachtete auch die ständige Mission als Reise, deren Ende zum Zeitpunkt der Zahlungen noch nicht abzusehen war. Für die junge Institution war noch kein eigenes Begriffssystem geschaf­fen worden. Louis-Prosper Gachard Rapport ä Monsieur le Ministre de I’Interieur sur les Archives de Lille (Bruxelles 1841) 49. 9) Zunächst trägt dies zur Bestätigung der These Ernsts bei: „Der Bezirk, den wir heute der Diplomatie zuweisen, ist damals (um 1500) noch keineswegs aus dem größeren Gesamtbereich, dem er zugehört, herausgeschnitten, aus dem Bereich des Verhandelns in öffentlichen Dingen überhaupt“: Fritz Ernst Über Gesandtschaftswesen und Diploma­tie an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit in Archiv für Kulturgeschichte 33 (1951) 64-94, hier 92. Ernst unterstreicht aber auch, daß die Dinge im Wandel begriffen waren. 10) An die These Emsts ist im Zusammenhang mit der Buchführung in der Recette Générale des Finances eine weitere Überlegung anzuschließen. Ich gehe davon aus, daß in den Rechnungsbüchern die Beamtenreisen nach einem quantitativen Ordnungsprinzip geführt wurden. Bei den „gros voiaiges“ handelte es sich um Missionen ranghöher Mitglieder der fürstlichen Verwaltung, weshalb wie bei den „ambassades“ ein entspre-

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