Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 40. (1987)
LUNITZ, Martin: Diplomaten im 16. Jahrhundert. Zum Problem der Finanzierung ständiger Gesandtschaften am Beispiel der Botschafter Kaiser Karls V. in Frankreich und England
2 Martin Lunitz denz begegnet man nur allzu häufig den Klagen der residierenden Gesandten — weniger der Spezialgesandten - über ihre zu knapp bemessenen Mittel, über das Ausbleiben von Zahlungen, die Notwendigkeit, Schulden zu machen, ihren Privatbesitz angreifen zu müssen, und über die Ungeduld der Gläubiger. In den Kommissionen und Patenten dagegen findet sich die vom Auftraggeber intendierte Regelung über die Höhe der Bezüge und den Zahlungsmodus. Wie war es nun tatsächlich um die materielle Lage der Gesandten bestellt? Brachte der Dienst an fremden Höfen die Botschafter wirklich dem wirtschaftlichen Ruin nahe? Sind die Klagen der ständigen Gesandten Kaiser Karls V., die ihre Missionen alle nicht nur überlebt haben, sondern sich hernach in der Mehrzahl in den höchsten Stellungen am Hofe wiederfinden, nicht stark übertrieben? Diesen Fragen, sowie dem Kernproblem, wie Karl die neue Diplomatie überhaupt finanzierte, hatte doch sein Vorgänger im Kaisertum ganz einfach nicht die Mittel dazu gehabt, wird im folgenden nachzugehen sein. Dabei spielt die Verbindung des Hauses Habsburg mit dem burgundischen Herrscherhaus eine wichtige Rolle. A II Die materiellen Grundlagen des Gesandtschaftswesens Kaiser Maximilians I. werden im allgemeinen in einem Zuge mit der Rekrutierung der Diplomaten dargestellt. Demnach dürfte es sich bei den besonders aktiven und viel verwendeten kaiserlichen Unterhändlern um Inhaber von einträglichen Ämtern gehandelt haben, bei denen Pflege, Amt, Vogtei und dergleichen beruflich nur eine sekundäre Rolle spielten. Hauptsächlich dienten sie dazu, die standesgemäße Existenz der betreffenden Persönlichkeit zu sichern, analog der Versorgung geistlicher Diplomaten mit einträglichen Pfründen* 2). Nun handelte es sich bei diesen Personen nicht um ständige Gesandte, was eine solche Erklärung ihrer finanziellen Absicherung plausibel macht. Wiesflecker meint, der Kaiser habe seit 1492 einen ständigen Gesandten nur in Rom unterhalten, da ihm die nötigen Mittel gefehlt hätten, an alle Höfe ständige Vertreter zu entsenden. Und nur von Luca de Renaldis, einem aus der Reihe Schepper — J. Baron de St-Genois Missions diplomatiques de Corneille Duplicius de Schepper, dit Scepperus de 1523-1555 (Mémoires de I’Académie Royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique 30, Bruxelles 1857); M. Tridon Simon Renard. Ses ambassades, ses négociations, sa lutte avec le Cardinal de Granvelle (Mémoires de la Société d’Emulation du Doubs 5/6, Besangon 1881) 107-376; Eugene Beauvois Un agent politique de Charles-Quint. Le Bourguignon Claude Bouton (Paris 1882, Neudruck Genf 1971); Garrett Mattingly Renaissance Diplomacy (London 1963); Berthold Picard Das Gesandtschaftswesen Ostmitteleuropas in der frühen Neuzeit (Wiener Archiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas 6, Graz-Wien-Köln 1967). 2) Heinz Gollwitzer Zur Geschichte der Diplomatie im Zeitalter Maximilians I. in Historisches Jahrbuch 74 (1955) 189-199, hier 189; Hermann Wiesflecker Neue Beiträge zum Gesandtschaftswesen Maximilians I. in Römische Historische Mitteilungen 23 (1981) 303-317.