Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)
AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)
508 Literaturberichte 333-448) und Notizen (S. 204-234, 449^82); hier ist auch die Rubrik Eingelaufene Bücher (S. 235—238, 483-485) anzuschließen. In den Verschiedenen Nachrichten (S. 239 f, 487—491) sind enthalten Berichte über in- und ausländische Tagungen und über Stiftungen. Band 90. Hermann Böhlaus Nachf., Wien — Köln - Graz 1982. XVI, 522 S. In kritischer Auseinandersetzung mit den Forschungsergebnissen der Jahre 1966 bis 1981 kann Werner Seibt an Hand verschiedener Eintragungen für die Entstehungszeit der notitia dignitatum, einer der wichtigsten Quellen für das spätantike Römerreich, die Mitte des Jahres 408, und als Auftraggeber den „magister peditum praesentalis“ des Westreiches - zu diesem Zeitpunkt noch Stilicho - wahrscheinlich machen. Zusätze („distributio numerorum“) entsprechen den Verhältnissen unter dessen Nachfolger, Heermeister Flavius Constantius (Wurde die „notitia dignitatum“ 408 von Stilicho in Auftrag gegeben?, S. 330-346). - Unter dem Titel Zum Grazer Vertrag von 1225 zwischen Herzog Leopold VI. von Österreich und Steier und König Andreas II. von Ungarn (S. 1—48, ergänzt durch einen kombinierten Stammbaum Andechser-Arpaden- Wittelsbacher-Babenberger und eine Textkopie der einzigen Überlieferung in der Klosterneuburger Handschrift 929, fol. lOr) setzt Heide Dienst die einzelnen Bestimmungen dieses Abkommens, dessen Aufzeichnung dem ungarischen Unterhändler, Bischof Jakob von Neutra, zugeschrieben wird, in Beziehung zur Entwicklung der österreichisch-ungarischen Probleme und zur gesamteuropäischen Lage. Zusammenfassend stellt sie fest, daß die Regelung dreier Sachgebiete angestrebt wurde: 1. Abstimmung der Rechte, vor allem der Grundherrn, beiderseits des durch Rodungstätigkeit mehr und mehr linear fixierten Grenzbereichs, 2. Fragen des Fernhandels, vor allem im Hinblick auf Wien, und Abmachungen finanzieller Natur, 3. Abbau politischer Spannungen in Europa zur Ermöglichung eines umfassenden Kreuzzugs. — Auf ihrer 1971 approbierten Wiener Dissertation beruht der Beitrag von Angela Stöckelle Taufzeremoniell und politische Patenschaften am Kaiserhof (S. 271—337). An Hand des reichen Quellenmaterials innerhalb der Hofarchive im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv, vor allem der Eintragungen in den Zeremonialproto- kollen, werden für die Zeit von Kaiser Leopold I. bis Maria Theresia die in Zusammenhang mit der Geburt bzw. Taufe von Angehörigen des österreichischen Herrscherhauses praktizierten Zeremonien vorgestellt, die einerseits der Wichtigkeit des Empfangs des fundamentalen christlichen Sakraments sinnfälligen Ausdruck verleihen, andererseits die erhabene Würde des sich als weltliche Spitze des katholischen Orbis interpretierenden Hauses Habsburg zur Schau stellen sollten. Für den innenpolitischen Bereich ergab sich hier die Möglichkeit einer emotionell „menschlich“ gesteuerten Bindung der Untertanen an das Herrscherhaus - man denke nur an das Bangen um einen männlichen Thronfolger -, in der Außenpolitik bildete das Angebot der Übernahme der Funktion eines Taufpaten an Repräsentanten anderer Mächte ein wirksames Mittel der unverbindlichen Anknüpfung oder Vertiefung von Beziehungen. Während zunächst — wie dies den kirchlichen Vorschriften entsprach — die Paten fast ausschließlich im Kreise katholischer Fürsten, mit denen auch verwandtschaftliche Beziehungen bestanden, ja der Päpste, gesucht wurden, bot Maria Theresia Patenschaften ihren Verbündeten an, auch wenn sie — wie der König von England oder die Zarin - anderen christlichen Bekenntnissen