Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)

Rezensionen 475 Osttirol) sowie in Wien den 6., 14., 15. und 16. Bezirk. Neben einem ersten Abtasten der Themenstellung durch schon bekannte und publizierte Tatsachen über die Administration der französischen Besatzungszone (S. 10 ff) und die Truppenpräsenz in Österreich (S. 20 ff) liest man über die Persönlichkeit des französischen Hochkommissars von 1945 bis 1950, die soviel Ausstrahlungs­kraft besaß, daß General Bethouart „erstaunliche Popularität erlangt hat“ (S. 17) und erfährt einiges über die Intentionen der französischen Besatzungs­politik. Die Vfn. schildert die Rolle Frankreichs als „junior partner“ der Großmächte, die sich zwar „recht bescheiden ausnehmen mag und leicht verkannt wird“ (S. 2), dennoch unerläßlich und erfolgreich sein konnte. So wären die Intentionen der französischen Besatzungspolitik deshalb nicht von vornherein klar zu erkennen gewesen, weil auch das französische Volk „zu sich selbst finden und einen Mittelweg zwischen dem Enthusiasmus der Libe­ration“ und der Verdammung der ,Collaborateurs‘ suchen“ (S. 8) mußte, wäh­rend die Politiker bereits von der Grande Nation träumten. Vor dem Hinter­grund dieser innen- und außenpolitischen Spannungsfelder werden die starken Truppenreduzierungen in den ersten Jahren nach 1945 und der vollständige Truppenabzug aus Tirol und Vorarlberg 1953 allzu verständlich. Auch im Engagement im Alliierten Rat war der Stil der französischen Politik sichtbar geworden, lieber Kompromisse nahezulegen, als Forderungen aufzu­stellen. Es sei bezeichnend gewesen, „daß der französische Vertreter bei den alliierten Sitzungen nur selten von sich aus das Wort ergriff, daß er aber häufig dann initiativ wurde, wenn es galt, aus zwei oder drei Vorschlägen eine Kompromißformel zu erarbeiten“ (S. 31). Diese Rolle war wichtig, um Block­bildungen zu vermeiden und eine Vermittlung der Standpunkte zwischen den USA und den Sowjets zu ermöglichen. Sehr anschaulich gelingt es der Vfn. im folgenden Hauptabschnitt, die Rolle Frankreichs bei den Staatsvertragsverhandlungen (S. 72—221) herauszuarbei­ten. In diesem mit französischen Quellenzitaten überreichen Teil besticht vor allem die minutiöse Auslotung der französischen Verhandlungsstrategien bei der Londoner Stellvertreterkonferenz 1947 (S. 81 ff) und der anschließenden Moskauer Außenministerkonferenz (S. 110), deren Ergebnisse für Österreich durchwegs negativ waren. Im Anschluß an diese Konferenzen schien sich ein ungünstiges bilaterales Klima zwischen Österreich und Frankreich breitzuma­chen. Für die Feinfühligkeit und die Nervosität dieser Zeit sprechen die Reaktionen der französischen Unterhändler, die sich über mangelnde Dank­barkeit Österreichs gegenüber den Alliierten für das schwierige Verhandeln beklagten. In der Folge wurden weitere Beratungen auch auf die politisch-diplomatische Ebene verlagert, wie beispielsweise in Gesprächen der Wiener Staatsvertrags­kommission, deren Aufgabe es gewesen wäre, Fakten zu dem bislang ungelö­sten Problem des Deutschen Eigentums zu sammeln, deren Ergebnisse jedoch im Geflecht langwieriger Auseinandersetzungen über Verfahrensweisen und Art der zu sammelnden Fakten weit hinter den in sie gesetzten Erwartungen zurückblieben. Ein vom französischen Kommissionsmitglied Cherriere ausge­arbeiteter Entwurf (S. 154) für eine Teillösung des Problemkreises Deutsches Eigentum fand letztlich auf der Londoner Außenministerkonferenz im Winter 1947 (S. 177) kaum Beachtung. Grundsatzdiskussionen zwischen Molotow und

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