Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)

468 Literaturberichte sung 1936 doch nur auf ein Instrument des patriotischen Lagers gegen soziali­stisches und nationalsozialistisches Gedankengut reduzierte. Die regionalen Differenzen werden in dem Kapitel (bezeichnende Überschrift „Jedes Bundesland ging seinen eigenen Weg“) über die einzelnen Länder verdeutlicht. In der Charakteristik der einzelnen tragenden Persönlichkeiten beweist W. ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und sprachlicher Gewandtheit, die in den vorhergehenden und nachfolgenden Kapiteln manchmal in der Materialfülle zu ersticken scheint. Auch hier wiederum erweist sich der Bogen zwischen etwa einem dichtenden Altösterreicher und Aristokraten wie Berger- Waldenegg und einem derben Draufgänger wie Pfrimer, einem patriotisch gesinnten Diplomaten wie Hülgerth und einem kompromißlosen Kriegshelden und Maria-Theresien-Ritter wie Fey als sicherlich nicht weniger weit gespannt als der zwischen den Antipoden im roten Lager, etwa Renner und Bauer. Im „analytischen Teil“ werden geistes- und sozialwissenschaftliche Aspekte zusammengefaßt, und diese Kombination ist nicht eben sehr gelungen: Denn das Verhältnis zu wichtigen Phänomenen wie Kirche, Legitimismus, Faschis­mus und Nationalismus gehören nicht erst auf die Seiten 261 bis 271 (direkt nach einer Untersuchung über den Stellenwert des Liedgutes), sondern bilden die Voraussetzung für das politische Verhalten der einzelnen Gruppen. Als ungemein materialreich stellen sich die Kapitel „Die soziologische Zusam­mensetzung“, wo vor allem die Auseinandersetzungen der „Unabhängigen Gewerkschaften“ mit den um ihre Monopol-Stellung bangenden sozialdemo­kratischen und Kunschak-Verbänden Aufmerksamkeit verdienen, und „Der militärische Wert“ dar, den der Autor mit der Begründung, daß eine auf Freiwilligkeit beruhende Kampfgruppe nie die Schlagkraft einer aus Zwangs­rekrutierung resultierenden erreichen könne, eher niedrig veranschlagt. Das Kapitel „Einwirkungen auf die staatliche Politik“ wäre wohl besser im chronologischen Teil untergebracht. Eine sehr gute Übersicht bietet W. in seinen Kurzdarstellungen von „anderen Wehrverbänden der Rechten“, wobei er die nationalsozialistischen Verbände, die ja auf Grund ihrer egalisierenden Ideologie mit dem „rechten“ Lager Österreichs nicht vermengt werden können, bewußt ausklammert. Ein doku­mentarischer Teil mit Kurzbiographien und Quellen- und Literaturverzeichnis zeugen ebenso wie das Register (Personen, Orte) von peinlichster Genauigkeit und jahrelanger Beschäftigung mit der Materie. Zusammen mit Ludwig Reinhold’s ausführlicher Monographie über den Stän­destaat (Kampf um Österreich [1984]) stellt W’s Werk somit eine der wichtig­sten und, vom wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet, seriösesten Einzel­studien zu Österreichs Erster Republik dar, - daß sie sich durch besondere Sachlichkeit und Objektivität auszeichnet, sei nochmals betont, gerade weil diese in vielen Bereifchen der zeitgeschichtlichen Forschung bedauerlicherwei­se der ideologisch bedingten Färbung gewichen sind. Robert Rill (Klosterneuburg) Harald Walser Die illegale NSDAP in Tirol und Vorarlberg 1933-1938. Mit einem Vorwort von Anton Pelinka (Materialien zur Arbeiterbewegung 28). Europaverlag, Wien 1983. XII, 239 S. Die Geschichte der NSDAP in Österreich bis zum März 1938 ist bisher nur in

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