Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)
AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)
Rezensionen 469 Teilbereichen und überwiegend für den Gesamtstaat aufgearbeitet. Darstellungen über die organisatorische Entwicklung, ideologische Wandlung und praktische Politik der Partei in den einzelnen Bundesländern fehlen fast völlig. Harald Walser unternimmt mit dem vorliegenden Band den Versuch, die Tätigkeit der im Juni 1933 verbotenen NSDAP in Tirol und Vorarlberg nachzuzeichnen. Ausgehend von der politischen Entwicklung der beiden Bundesländer in der Ersten Republik und ihrer sozioökonomischen Struktur behandelt der Autor die Entstehung der Nationalsozialistischen Partei aus den Organisationen, Vereinen und Verbänden der deutschnationalen Rechten und ihr Verhältnis zur Heimwehr. Es gelingt dem Autor, den fast ungebremsten Aufstieg der NSDAP 1932 und 1933 im Zusammenhang mit der allgemein-politischen und wirtschaftlichen Situation deutlich zu machen. In Juni 1933 gab es in Tirol und Vorarlberg fast kein Dorf mehr, in dem nicht eine Ortsgruppe der NSDAP bestand. Am 23. April 1933 wurden die Nationalsozialisten stärkste Fraktion im Innsbrucker Gemeinderat. Eine Woche später erreichte die NSDAP auch in Landeck fast 40% der Stimmen bei der Gemeinderatswahl. In Vorarlberg hatte sie bereits bei der 1932 stattgefundenen Landtagswahl zwei Mandate errungen. Knapp vor dem Parteiverbot 1933 waren die Partei und ihre Wehrformation in manchen Orten so stark, daß sich - wie die Gendarmerie berichtete - Heimwehrleute gar nicht auf die Straße trauten, da sie Überfälle befürchteten. Das Parteiverbot und die Umorganisation in der Illegalität überstand die Partei trotz Verhaftungen und Fluchtbewegungen ins Deutsche Reich durch die Stärke ihrer Wehrorganisation so gut, daß bereits im Juni und Juli erste Terroranschläge geplant und durchgeführt wurden. Es ist das Verdienst W’s, erstmals die direkte Unterstützung der NSDAP durch österreichische Industrielle nachgewiesen zu haben: Die Eigentümer und leitenden Angestellten der großen Vorarlberger Textilfirmen, darunter Rhomberg und Hämmerle, erhofften sich durch die Förderung der NSDAP bessere Absatzchancen im Deutschen Reich. Für ihre der illegalen Partei zugewandten Sympathien wurde nach dem Anschluß durch die Erreichung hervorragender Führungspositionen in der NS-Wirtschaftsverwaltung, durch die Arisierungsmöglichkeit von jüdischen Wiener Firmen und dann während des Krieges durch bevorzugte Rohstoffzuteilungen gedankt. Dornbirn und Lustenau, beides Standorte der Vorarlberger Textilindustrie waren denn auch Zentren der illegalen Tätigkeit der NSDAP, deren Terrorakte im Jahre 1934 samt den Ereignissen rund um den 25. Juli von W. minutiös abgehandelt werden. Die Propagandatätigkeit der Jahre 1936 und 1937, in welchen es zu einer Forcierung der illegalen Pressearbeit und zur Unterwanderung verschiedener Organisationen kam, war bereits auf eine in naher Zukunft zu erfolgende Machtübernahme ausgerichtet. Mit einer kurzen Abhandlung über den „Anschluß“ in Tirol und Vorarlberg rundet der Autor seine instruktive Studie ab. W. fand die Quellen für seine Arbeit hauptsächlich in den Landesarchiven für Tirol und Vorarlberg und im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, in welchem die Kopien von Gendarmeriechroniken verwahrt werden. Darüber hinaus hätte sich wahrscheinlich auch ein Besuch im Haus-, Hof- und Staatsarchiv gelohnt, zumal auch hier staatspolizeiliches Material über die