Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)

466 Literaturberichte Die detaillierte Behandlung der Kriegsereignisse, angereichert mit Erörterungen über den Kampfwert der österreichisch-ungarischen und italienischen Truppen, haben wohl kaum eine Einbuße erlitten durch den Umstand, daß P. - wohl aus Zeitmangel - im Wiener Kriegsarchiv einige nicht unbedeutende Quellen nicht eingesehen hat; vor allem sei hier auf das Tagebuch von Conrads Adjutant Kundmann hingewiesen. An dieser Stelle sei auch eine kleine Korrektur zu S. 242 gestattet, wo P. eine Tagebucheintragung Oberst Schnellers vom 4. Juli 1916 zitiert: Man habe bei Kolomea anläßlich der Brussilowoffensive statt der Verwundeten die Offiziersdamen zurückgebracht, und der dortige Armeekommandant habe seine Frau während der gesamten Kriegszeit bei sich gehabt. P. ergänzt, daß es sich hiebei um Generaloberst Erzherzog Joseph Ferdinand handle. Tatsächlich befand sich in Kolomea das 7. Armeekommando des Generalober­sten Pflanzer-Baltin. Erzherzog Joseph Ferdinand kommandierte die 4. Armee bei Luck und heiratete überhaupt erstmals 1921. Den Höhepunkt der Arbeit stellt die Behandlung der Südtiroloffensive 1916 dar, wobei P. die Operationsidee an sich als gut betrachtet, wie er überhaupt Conrad und Foch noch am ehesten von allen Weltkriegsgenerälen Feldherrnei­genschaften zugesteht. Abgesehen von den Führungsmängeln wäre die auf nur sehr leistungsschwachen Verbindungen basierte Offensive dennoch nur im Zusammenhang mit einem korrespondierenden Angriff am Isonzo durchzufüh­ren gewesen. Dies hätte aber deutsche Mithilfe vorausgesetzt, was von Falken­hayn verweigert wurde. P. erkennt gerade darin Falkenhayns großen Fehler. Conrads großer Fehler aber war es, auf der Durchführung der Offensive im Alleingang zu beharren. Den Schlag gegen Italien sieht P. als die strategisch einzig mögliche Aktion, die schließlich aber außer dem Sturz der Regierung Salandra nur zur Folge hatte, daß sich im Verein mit dem Fehlschlag bei Verdun und der Niederlage gegen Brussilow die bis dahin positivste Situation der Mittelmächte jählings ins Gegenteil verkehrte und ein neuer Gegner (Ru­mänien) auf den Plan gerufen wurde. Man kann sich der Ansicht P’s nur anschließen, daß im Frühjahr 1916 der Zeitpunkt gewesen wäre, unter Verzicht auf den bereits illusorisch gewordenen Siegfrieden aus dieser bestmöglichen Lage den Frieden anzubahnen. Ein gemeinsamer Schlag gegen Italien wäre zwar auch nicht kriegsentscheidend gewesen, doch geeignet, die günstige Ausgangsposition für Verhandlungen noch zu verbessern. Rudolf Jefäbek (Wien) Walter Wiltschegg Die Heimwehr. Eine unwiderstehliche Volksbewegung? (Studien und Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte, hg. im Auftrag der Wissenschaftlichen Kommission des Theodor-Kömer-Stiftungsfonds und des Leopold-Kunschak-Preises von Rudolf Neck und Adam Wandruszka, 7). Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1985. 400 S. Den meisten von Zeitzeugen (insbesondere Nichthistorikem) retrospektiv ver­faßten Werken aus dem zeitgeschichtlichen Fachbereich haftet, auch bei wis­senschaftlichem Anspruch, etwas Memoirenartiges an; insofern ist W’s Mono­graphie als atypisch zu bezeichnen: Ohne dem Zeitgeist zu huldigen und in eine aus dem Bereich moderner Sozialwissenschaften entliehene Terminologie zu verfallen, ist dem Autor ein hohes Maß an Abstraktion und Objektivität gelungen. W. verzichtet im wesentlichen auf eine allgemeine Einführung in die politische

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