Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)

Rezensionen 457 Einfluß nahm, es entzieht sich jedoch seiner Aufmerksamkeit, daß andererseits Andrássy in Fragen ausgesprochen militärischer Natur häufig seine Meinung sagte und auf diese Einfluß nahm. Es wäre daher angemessener, von Wechsel­wirkungen als von einer einseitigen Abhängigkeit zu sprechen. K’s Dissertation vervollständigt unser in letzter Zeit stark gewandeltes Bild von der Orientkrise wie auch vom Wirkungsmechanismus des Dualismus auf den einander überlappenden Gebieten der Außen- und Militärpolitik. Was der Vf. bietet, ist selbst noch keine vollständige Synthese des umfangreichen Themas, aber eine wertvolle Vorarbeit dafür. Emil Palotás (Budapest) Joanna Radzyner Stanislaw Madeyski, 1841-1910. Ein austropolnischer Staatsmann im Spannungsfeld der Nationalitätenfrage in der Habsburgermonarchie (Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie. Hg. von der Kommission für die Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie [1848-1918] an der Österreichi­schen Akademie der Wissenschaften, 20). Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1983. 350 S. Der oft zitierte Begriff „Mitteleuropa“, als Bewußtsein alter, organischer, ganz selbstverständlicher Bande und alltäglicher Wechselwirkungen im Herzen unseres Kontinents, lange bevor der realpolitische Trennungsstrich von 1945 gezogen war, wird lebendig, vergegenwärtigt man sich Leben und Wirken des hier zu Recht als austro-polnischer Staatsmann apostrophierten Stanislaw Ma­deyski. Zumindest in den Köpfen historisch Denkender zwischen Triest und Krakau, aber auch darüber hinaus ist man sich einer Einheit in der Vielfalt bewußt, die, ungeachtet nationaler Eigenart, unterschiedlicher Gesellschafts­ordnungen, verschwundener sozialer Klassen, Ethnien, Menschengruppen, permanent da ist und nur verlangt, bemerkt und richtig interpretiert zu werden. Falsch verstandene Nostalgie, Negierung irreversibler Umbrüche ver­nebeln nur das Bild, rücken Grundwahrheiten ins Unseriöse, auch wenn noch weitere hundert hübsche Bildbände über das Wien der Ringstraßenzeit schmucke Geschäftsauslagen zieren. So beschränken sich auch Historiker, wollen sie ernst genommen werden, auf die nüchterne Darbietung dessen, „wie es eigentlich gewesen ist“, in der Themenwahl selbst können sie allerdings Präferenzen deutlich machen, für das interessierte Publikum die Dinge ins rechte Licht rücken. Joanna Radzyner, selbst kosmopolitische „Mitteleuropäerin“ von Schrot und Korn, aus Polen stammend, in Österreich aufgewachsen, Schülerin des Lycée Frangais de Vienne, war redlich bemüht, das Schicksal eines Menschen und das Panorama einer Zeit vor uns auszubreiten (I. „Grundriß der Epoche“, II. „Voraussetzun­gen und Anfänge einer Karriere“, III. „Der Weg nach oben“, IV. „Am Gipfel des Erfolges?“, „Stanislaw Madeyski als österreichischer Minister [4. 11. 1893-18. 6. 1895]“, V. „Eine politische Emeritierung. Stanislaw Madeyskis Lebensabend“, VI. „Madeyski und die österreichische Nationalitätenpolitik“, VII. „Stanislaw Madeyski und das Nationalitätenrecht“). Die Autorin trachtet, die sogenannte austro-polnische Lösung weder verklärt apologetisch (gleichsam aus einer gewissen großösterreichischen Sicht) noch abwertend (aus nationalpolnischer Sicht) darzustellen. In Österreich haben sich, allein schon aus sprachlichen Gründen (slavica non leguntur), seit den späten vierziger Jahren nur die wenigsten an galizische Themen herangetraut

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