Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)

444 Literaturberichte Auseinandersetzungen innerhalb des christlichsozial-konservativen Lagers sind jedoch ein besonderes Spezifikum der Tiroler Politik geblieben. (Eberhard Lang hat auf dreißig Seiten kurz auch den Landtag der Zweiten Republik charakterisiert.) Eine ähnlich anregende Darstellung zur Landtagsgeschichte auch der anderen Bundesländer wäre ein echtes Desiderat der Forschung! Lothar Hobelt (Wien Thomas Nipperdey Deutsche Geschichte 1800—1866. Bürgerwelt und starker Staat. Verlag C. H. Beck, München 1983. 838 S. mit 36 Tabellen im Text. Auf knapp achthundert Seiten präsentiert N. für die ersten zwei Drittel des 19. Jahrhunderts eine .ganze“ Geschichte. Soll man sagen: eine Geschichte Deutschlands? Der Buchtitel lautet: „Deutsche Geschichte“ — und zeigt schon damit die Sonderstellung des Deutschen (wie oft werden Bücher „französi­sche“ oder „englische Geschichte“ benannt?), die N. ansonsten nicht gern wahrhaben will; doch sollte wohl auch ein Bezug zum großen Werk Franz Schnabels hergestellt werden, auf welches der Klappentext den Leser von Anbeginn an sehr deutlich hin weist. Und zweifellos versucht N., seinem Vor­gänger nachzueifern; auch ist der imponierendste Aspekt dieses Bandes, daß ein einzelner alles darstellen will, den Alltag, die Wirtschaft, die Kultur usw. Die, wenn man sie so nennen will, ,nichtpolitischen‘ Bereiche nehmen gut vierzig Prozent des Werkes ein und bieten eine beeindruckende Fülle von Wissen, die der Autor in jahrelanger Arbeit zusammengetragen hat. Sie bilden den zweiten und den vierten von sechs Abschnitten und nehmen auf die gesamte behandelte Zeit Bezug; die .traditionelle“ politische Geschichte wird dagegen wie üblich chronologisch unterteilt, und zwar in Reichsende, Vormärz, Revolution und Reichsgründung. Denn dies sind die Stationen in der Sicht N’s, die sich auch in der Wahl der Jahreszahlen zeigt: Nicht 1871 bildet den Abschluß, sondern 1866 setzt bereits vollendete Tatsachen, und für den Beginn wird 1800 gewählt, eine .griffige“ Zahl, die nichtsdestoweniger eine gewisse Verlegenheit ausdrückt. Warum nicht 1806? Die Antwort bleibt N. schuldig, so wie überhaupt in dem Buch nicht viel theoretisiert, sondern eher postuliert wird. Es ist denn auch mehr für das breite (Bildungs-)Bürgertum geschrieben als für die Fachwissenschaft; es bleibt trotzdem lesenswert — selbst wenn man danach nicht lernen kann —, nicht zuletzt weil sehr griffig und anschaulich dargestellt und erklärt wird (als Beispiel sei die Bildung der politischen Bewegung genannt) und N. versucht, große Linien zu ziehen, Entwicklungen und Zusammenhänge sichtbar zu machen, und schon in der Gliederung Ak­zentsetzungen (wie „Entchristianisierung“ oder „Leserevolution“) demon­striert, die leider etwas zu wenig - was übrigens allgemein gilt - auf die bereits im 18. Jahrhundert stattgehabten Veränderungen Rücksicht nehmen. Nachdem diese Besprechung aufgrund eines Wechsels des Rezensenten reich­lich spät erscheint und es aus Platzgründen kaum möglich ist, sich mit dem gesamten Werk konsequent auseinanderzusetzen, soll im folgenden auf drei charakteristische Punkte näher eingegangen werden: die Sprache, das Engage­ment und - nicht zuletzt mit Rücksicht auf den Ort der Veröffentlichung - die Beurteilung Österreichs. „Am Anfang war Napoleon“, so beginnt die Darstellung etwas salopp (S. 11).

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