Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)

442 Literaturberichte Lesarten handelt es sich hier um wichtige Aussagen, an denen kein Forscher künftig Vorbeigehen können wird. Emst Wangermann (Salzburg) Franz Pesendorfer Ein Kampf um die Toskana. Großherzog Ferdinand III. 1790-1824 (Veröffentlichungen der Kommission für die Geschichte Österreichs 12). Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1984. IX, 507 S., 9 Taf., 5 Stamm­bäume, 4 Karten. Das Buch sollte die Synthese aus einer Geschichte der Toskana während der Wirren der französischen Revolution und der darauf folgenden napoleonischen Kriege und einer Biographie Ferdinands III. werden, der als Großherzog seinem Vater, dem großen Reformer Peter Leopold nachfolgte. Den Schwer­punkt des Werkes bildet aber nicht die Persönlichkeit Ferdinands, sondern die Toskana, und hier, wie schon im Titel ausgedrückt, der Kampf um die öster­reichische Toskana. So sind die ersten neun Kapitel mit gut der Hälfte des Buches den Bemühungen des Großherzogs gewidmet, seinem Land die Unab­hängigkeit und Neutralität in den kriegerischen Ereignissen bis 1800 zu erhal­ten. Mit minutiöser Genauigkeit werden alle Ein- und Durchmärsche, alle Besetzungen zeit- und örtlich abgegrenzt und registriert. Trotz aller Friedens­bemühungen des Großherzogs wurde auch die Toskana in den großen Umfor­mungsprozeß einbezogen, sie wurde 1801 in das Königreich Etrurien (Kap. 10) umgewandelt, das Napoleon zunächst den Bourbonen aus Parma übertrug. Der Großherzog zog sich zu seinem Bruder Kaiser Franz II. nach Wien zurück, wo er auf die ihm in Aussicht gestellte Entschädigung zu warten hatte. 1803 wurde er als erster und zugleich letzter Kurfürst in dem säkularisierten Fürsterzbis­tum Salzburg installiert, das er 1805, als es an Österreich abgetreten wurde, mit dem eigens für ihn geschaffenen Großherzogtum Würzburg vertauschen mußte (Kap. 11 und 13), von wo er 1814 nach der Niederlage Napoleons in die Toskana zurückkehren konnte (Kap. 14). Das Hauptaugenmerk des Autors ist, auch in dieser Zeit der Emigration des Großherzogs, nicht der Biographie Ferdinands gewidmet, sondern dem Schicksal der Toskana, die 1807 in ein französisches Departement bzw. eine Provinz des französischen Kaiserreichs (Kap. 12) umgestaltet wurde. Die Persönlichkeit des Großherzogs verliert bei dieser Konzentration der Darstellung auf die Toskana an Konturenschärfe, das Charakterbild Ferdi­nands bleibt verschwommen und farblos. Man gewinnt den Eindruck, daß die Persönlichkeit Ferdinands keinen wesentlichen Einfluß auf den Ablauf der Ereignisse ausgeübt hat. Mit einem Wort, P. hat keine Biographie des Großher­zogs Ferdinand III. geschrieben, vielleicht auch gar nicht beabsichtigt, sondern eine im konventionellen Rahmen bleibende politische, Diplomatie- und Kriegsgeschichte mit ereignisgeschichtlichem Schwerpunkt Toskana. Hiezu hat der Autor aus den einschlägigen Archiven und der umfangreichen Fachlite­ratur ein gewaltiges Informationsmaterial zusammengetragen und wohl Zettel für Zettel in seinem Buch verarbeitet, wobei ihm offenbar der Verzicht auf Unwesentliches zuweilen schwer fiel. In diesem Zusammenhang darf ein Aus­spruch Voltaires zitiert werden: „Das Geheimnis zu langweilen, ist alles zu sagen“. So bleibt das Werk im üblichen Rahmen, ohne zu einer Analyse der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Strukturwandlungen vorzustoßen,

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