Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)

Rezensionen 435 Kaiser und erbländischer Adel zusammengearbeitet haben, muß hier jedoch offen bleiben, ebenso wie die entgegengesetzte, weshalb das Haus Wittelsbach der Vertreibung seiner Landsleute aus den Domkapiteln offenbar tatenlos zugesehen hat“ (2 S. 81). Während Pfründenkumulationen bei bürgerlichen Domherren sehr selten waren und sich auf Null zu entwickelten, ist jedes adelige Domkanonikat bei steigender Tendenz im Durchschnitt zweimal ku­muliert, wobei die reichsfürstlichen Domherren mit drei bis vier Pfründen bei steigender Tendenz die Spitze bildeten. Innerhalb des gleichen Adelsranges wird im Norden mehr kumuliert als im Süden, wo Salzburg mit einer hohen Anzahl von Mehrfachkumulationen von den Durchschnittswerten erheblich abweicht. Einige Kapitel, besonders auffallend bei Worms und Halberstadt, scheinen fast ausschließlich als Zusatzversorgung gedient zu haben; für den Beichsadel waren dies auch die Kanonikate in Lüttich, dessen aus der Region stammende Domherren grundsätzlich nicht mit anderen Stiften der Reichskir­che kumulierten. Bei der Untersuchung der Kumulationen zeigen sich intensi­ve Verbindungen zwischen den Tiroler Kapiteln Brixen und Trient, den bayeri­schen Freising und Regensburg, mit Einschränkungen zwischen Eichstätt und Augsburg, sodann zwischen Mainz und Trier, auffallend stark zwischen den fränkischen Stiften Würzburg und Bamberg, ferner zwischen Münster und Osnabrück sowie den hochadeligen Köln und Straßburg. Der Kumulationsra­dius der Salzburger Domherren ist der weiteste, dicht gefolgt von den Passau- em, falls die nichtreichsständischen österreichischen und böhmischen Kapitel mitberücksichtigt werden. Insgesamt verengt sich der Kumulationsradius während des Untersuchungszeitraumes, mit anderen Worten: die Kapitel zei­gen eine Tendenz zur Provinzialisierung. Daß allein auf Grund von Statuten nicht einmal die Grundzüge der Geschichte der Domkapitel erkannt werden können, zeigen insbesondere die Untersu­chungen des Abschnitts 9 über die in den Kapiteln am stärksten repräsentier­ten Familien. Die Zahl der dort insgesamt in Erscheinung tretenden Familien wird mit 670-680 angegeben. Der Vf. teilt sie in vier Gruppen, von denen die erste 19 Geschlechter umfaßt, die mit 39 und mehr Kanonikaten vertreten waren; die 29 Familien der zweiten Gruppe hielten 24 bis 35 Kanonikate; die 48 Familien der dritten Gruppe beschickten 15 bis 23 Kanonikate. Die erste Gruppe wird angeführt von den Grafen von Salm, die nicht weniger als 61 Kanonikate innehatten; zu dieser Gruppe zählten auch die Metternich mit 39 (in das Mainzer Domkapitel trat 1782 der spätere Staatskanzler Clemens Wenzeslaus ein, der allerdings noch im gleichen Jahre resignierte). In der zweiten Gruppe sind bemerkenswert die Fugger, die vom Kölner Domkapitel seit Ende des 17. Jahrhunderts zugelassen wurden, nicht aber von dem noch exklusiveren Straßburger. Es überrascht, die in der Reichskirche absolut dominierenden Schönbom - zwölf Bischöfe! - mit nur 33 Kanonikaten in der zweiten Gruppe zu finden: Ihre Basis in den Kapiteln war schmal, im letzten Halbjahrhundert der Reichskirche gelangten nur noch zwei Schönborns zur Aufschwörung. Die Aussterberate der in den Domkapiteln präbendierten Adelsfamilien lag unter dem europäischen Durchschnitt, sodaß man nicht behaupten kann, die Kirche sei das Grab des deutschen katholischen Adels gewesen. Die Ergebnisse der Untersuchung sind ein Beweis für die Leistungsfähigkeit der EDV bei der Auswertung serieller oder jedenfalls strukturierbarer Quellen. Ihr Ertrag ist mit unseren Hinweisen keineswegs erschöpft. Es ist auch noch hervorzuheben, daß der Vf. naheliegenden Versuchungen, die in der EDV­28*

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