Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

AUER, Leopold: Historische Friedensforschung (Literaturbericht)

Rezensionen 425 Verwaltungsreform mit der Organisierung der Bezirksämter in Kroatien, Böh­men, Siebenbürgen, der Stuhlrichterämter und Komitatsgerichte im Kaschau- er Verwaltungsgebiet etc. und parallel dazu den Versuch einer „Normalisie­rung“ der politischen Verhältnisse. Dies schlug sich in der Aufhebung des Belagerungszustandes in Lombardo-Venetien und Siebenbürgen sowie dem Abschluß der Wirksamkeit von Kriegsgerichten im Jahre 1854 nieder, ebenso in der Behandlung zahlreicher Begnadigungsanträge ungarischer Revolutionä­re durch die Ministerkonferenz. Zahlreiche Personalfragen, selbst untergeord­nete Beamte betreffend, wurden behandelt. Mißernten 1853 und daraus resul­tierender Getreidemangel in Oberitalien und Galizien (dort verstärkt durch russische Aufkäufe im Krimkrieg), verbunden mit einer entsprechenden Teue­rung, beschäftigten des öfteren die Ministerkonferenz. Auffallend ist, daß auch in den Protokollen dieses Bandes bedeutende Angele­genheiten im militärischen, außen-, finanz- und kirchenpolitischen Bereich nur in Detailfragen verhandelt wurden. Wichtige Entscheidungen fielen folg­lich im inoffiziellen Wege zwischen den einzelnen Ministerien, außerhalb der Ministerkonferenz. Waltraud Heindl, in Bezug darauf von einer „Scheinfunk­tion der Ministerkonferenz“ sprechend, vermag in ihrer vorzüglichen Einlei­tung des Bandes diesen Hintergrund aufzuhellen und den Zusammenhang der Ereignisse herzustellen. Das zentrale Problem der Finanzierung des bedrohlich steigenden Defizits des Staatsbudgets erscheint in den Protokollen nur am Rande. Zwar wurde in der in diesem Zeitraum einzigen unter dem Vorsitz des Kaiser stattfindenden (erweiterten) Ministerkonferenz (n. 178; 26. November 1853) ausführlich über den Staatsvoranschlag für das Verwaltungsjahr 1854 gesprochen, wobei allgemein anerkannt wurde, daß größere Einsparungen nur bei der Militärverwaltung erzielt werden könnten, aber sowohl die mit dem Krimkrieg in Zusammenhang stehende, genehmigte außerordentüche Militär­dotation vom 19. Juli 1954 über 75 Millionen Gulden, als auch der Entschluß zu einer Nationalanleihe (lediglich Details wurden besprochen) gingen an der Ministerkonferenz vorbei. Allerdings taucht das Finanzierungsproblem indi­rekt permanent auf, so bei der Frage eines zweiten Judenbethauses in Wien (die Beschränkung der Besitzfähigkeit der Juden hatte zur Verweigerung neuer Kredite durch jüdische Bankiers geführt) oder, bei der Verpachtung von Staats­eisenbahnlinien auf 90 Jahre (also quasi ein Verkauf) an die französische Gesellschaft Crédit Mobilier für 200 Millionen Francs, der mangels Alternati­ven einstimmig zugeraten wurde. Auch der Krimkrieg wird nur in bezug auf einige Details in der Ministerkonfe­renz behandelt. Die wesentlichen Besprechungen fanden hier auf außerordent­lichen Konferenzen unter Vorsitz des Kaisers und in Anwesenheit der Minister des Äußeren, Inneren, der Finanzen, des Reichsratspräsidenten und hoher Militärs statt. Die abgedruckten Protokolle von sieben außerordentlichen Kon­ferenzen dokumentieren die Entwicklung der Haltung Österreichs und bieten eine wichtige Ergänzung der Ministerkonferenzprotokolle. Ausführlich wurden auf der Ministerkonferenz dagegen die Studienreform und die behördliche Neuorganisation der Universitäten besprochen. Hierbei kam es zu starken Auseinandersetzungen und weitestgehender Isolierung des Unter­richtsministers, wobei die anderen Minister insbesondere die Lehr- und Lern­freiheit angriffen. Thun-Hohenstein konnte seine Position bekanntlicherweise beim Kaiser im wesentlichen durchsetzen. Die Diskussion um das „Statut der

Next

/
Thumbnails
Contents