Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

AUER, Leopold: Möglichkeiten und Aufgaben einer Universalgeschichte

Universalgeschichte 15 wie Grousset, Schaeder oder Hogdson hervorzuheben sind54). Ebenso haben weiterführende Kritik an der marxistischen Theorie des weltgeschichtlichen Prozesses55) sowie die Hinwendung der Gruppe um die Annales auf alle Berei­che des Menschseins56 57) einen wesentlichen Anteil an der Vertiefung universal­geschichtlicher Betrachtungsweise in der Gegenwart. Für alle diese erwähnten Formen der Darstellung universalhistorischer Zu­sammenhänge ist der Historiker zweifellos in besonderem Maß auf Auswahl und Distanz angewiesen. Gilt doch gerade hier, wo der Rekurs auf die Quellen meist nur in Ausnahmefällen möglich sein wird, der zweifelnde Einwand, ob der Historiker nicht „das weiß Gott ob Zusammengehörige verbindet; das Unverständliche durch etwas Verständliches ersetzt; seine Begriffe von Zweckmäßigkeit nach außen einem Ganzen unterschiebt, das wohl nur eine nach innen kennt; und wieder Zufall annimmt, wo tausend kleine Ursachen wirkten“ ”). Damit stellt sich aber auch eine besondere Herausforderung an das Urteilsvermögen des Historikers und an die Anwendung jener Denkformen, die man nicht zu Unrecht gelegentlich als Kategorien der historischen Vernunft bezeichnet hat58). Gerade in dieser Herausforderung liegt wohl andererseits ein wesentlicher Anreiz, der Historiker aller Zeiten immer wieder dazu angespomt hat, sich mit Universalgeschichte zu beschäftigen. 54) Schulin Einleitung 44. Vgl. auch die anregende Untersuchung von Phüip D. Curtin Cross-cultural trade in world history (Cambridge 1984). Aus der Reihe kurzer Übersichten, die Interesse verdienen, seien hier noch Alfred Hettner Der Gang der Kultur über die Erde (Darmstadt 41973) und Jawaharial P. Nehru Glimpses of World History (New York 21942) erwähnt; vgl. zum letzteren Werk Friedrich Engel-Jánosi Nehrus Einblicke in die Weltgeschichte in Wahrheit der Geschichte 231-239. 55) Vgl. dazu etwa die Beiträge von Welskopf und Gerschenkron bei Schulin Univer­salgeschichte 122 ff und 341 ff. 56) Engel-Janosi Universalgeschichtsschreibung 264 möchte in diesem Zusammen­hang allerdings eher von universeller als von universaler Geschichtsschreibung spre­chen; vgl. im übrigen oben Anm. 9. 57) Vgl. Auer Wahrheitsproblem 513. Insofern kann man der Meinung von Paul Janssens Histoire économique ou économie rétrospective in History and Theory 13 (1974) 24 nicht zustimmen, daß die Auswahl „n’est ni plus ni moins arbitraire au niveau général qu’elle ne Test au niveau monographique“. Denn im ersten Fall nimmt man bereits von der Auswahl, die ein anderer getroffen hat, seinen Ausgang. 58) Neck Kategorien der historischen Vernunft 522 f.

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