Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

AUER, Leopold: Möglichkeiten und Aufgaben einer Universalgeschichte

Universalgeschichte 13 Weise zu einem begründeten Urteil über die Verifizierbarkeit oder Widerle­gung der bisher zur Entwicklung der Menschheit aufgestellten Thesen beizu­tragen. „Das Instrumentarium, mit dem bei der Erschließung komplexer histo­rischer Prozesse gearbeitet wird, kann sich nur in praktischer historischer Arbeit bewähren und verfeinern. Diese Arbeit sollte aber ständig im Zusam­menhang historischer Theorie beleuchtet, bedacht und kontrolliert werden“ “). Es ergibt sich daraus, daß eine Betrachtung, die tatsächlich zu einer Sicht der gesamten Menschheitsgeschichte Vordringen will, in erster Linie von der beste­henden Diskussion universalgeschichtlicher Fragestellungen ausgehen wird und auf eine selbständige darstellerische Erarbeitung von Geschehensabläufen ab ovo verzichten muß. Das darf aber selbstverständlich den Rekurs bis zur Quellenebene, sofern dies zur Klärung strittiger Fragen notwendig ist, nicht ausschließen. Für die Darstellung universalgeschichtlicher Zusammenhänge sind - je nach­dem, ob die Fragestellung mehr auf die zeitliche Komponente des Entwick­lungsprozesses oder auf die Betrachtung der dabei auftretenden Phänomene gerichtet ist, - grundsätzlich zwei Möglichkeiten zu unterscheiden42 43). Bei der zweiten „wird primär nach möglichst universalen Strukturen gefragt und vor allem vergleichend gearbeitet“44). Dieser vergleichenden Betrachtungsweise geht es seit ihrer Grundlegung durch die Forschungen Karl Lamprechts, Marc Blochs und Max Webers weniger um Weltgeschichte als Gegenstand der Dar­stellung als um den typologischen Vergleich ähnlich strukturierter Phänomene in universalhistorischer Blickweite zur erkenntnistheoretischen Bewältigung eines historischen Problems45). Dagegen versucht die erste Darstellungsform, Weltgeschichte im räumlich-zeitlichen Zusammenhang im Hinblick auf die Bedingungen und das Ausmaß gegenseitiger Einflußnahme und gegebenenfalls auftretender Expansion zu erfassen, und kann insofern auch als Vorgeschichte des gegenwärtigen globalen Zusammenhangs verstanden werden46 47). Die Dar­stellung von Universalgeschichte im Vollsinn des Wortes wird stets auf eine Verbindung beider Möglichkeiten bedacht sein, die der Dichotomie von Ereig­nis und Prozeß bzw. von Ereignis und Struktur Rechnung trägt und gleichzei­tig eine zu sehr teleologisch bestimmte Sicht des historischen Prozesses ver­meidet4’). Ansätze dazu finden sich sowohl in der marxistischen Universalge­42) Meier Fragen und Thesen 57 f. 43) Etwas anders Engel-Janosi Universalgeschichtsschreibung 246. 44) Schulin Einleitung 42 ff. 45) Vgl. Reinhold Bichler Die theoretische Einschätzung des Vergleichens in der Geschichtswissenschaft in Vergleichende Geschichtswissenschaft, hg. von Franz Hampl und Ingomar Weiler (Erträge der Forschung 88, 1978) 1 ff; zu Lamprecht ebenda 21. 46) Schulin Einleitung 44 f. 47) Meier Fragen und Thesen 33, 44 und 65. Die Betonung der auf die jeweilige Gegenwart zuführenden Entwicklungsstränge, wie sie zum Beispiel Schiller in seiner Vorlesung über Universalgeschichte hervorhebt, muß daher stets mit Hilfe der „histoire axiologique“ korrigiert werden.

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