Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

AUER, Leopold: Möglichkeiten und Aufgaben einer Universalgeschichte

12 Leopold Auer Versuche Arnold Toynbees3 * * 38) und Franz Borkenaus39), durch die Betonung der wechselseitigen Beeinflussung von Kulturen und die Unterscheidung von pri­mären und sekundären Zivilisationen die vor allem für die Ablehnung der Kulturkreislehre verantwortliche Ansicht Sprenglers vom monadischen Cha­rakter der Kulturen und ihrer Unfähigkeit, spirituelle Wesenheiten mitzutei­len, zu überwinden. Das schließt jedoch keineswegs aus, die Frage nach der Wesenheit von Kulturen und deren vergleichende Untersuchung zu ihrer bes­seren Erkenntnis als legitime Fragestellung zu betrachten. Die Auffassung der Menschheitsgeschichte als Abfolge und Nebeneinander einzelner Kulturen bei gleichzeitiger Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen, die auch auf biblische Vorstellungen zurückgreifen kann, ver­mittelt aber nicht nur eine Theorie von Weltgeschichte - die natürlich wie jede andere auf ihre Tragfähigkeit für eine universalgeschichtliche Betrachtungs­weise überprüft werden muß40) —, sondern vor allem ein gliederndes Prinzip, weil sich in den Kulturen und Kulturkreisen jene „intelligible fields of study“ im Sinne Toynbees anbieten, aus deren gemeinschaftlicher Betrachtung das Ganze der Menschheit erst in den Blick kommen kann41). Denn sie sind jene größtmöglichen Einheiten, deren Mitglieder sich in Abgrenzung von jenen der Nachbareinheiten durch gemeinsame Vergangenheit und gemeinsame Merk­male in Zivilisation und Gesellschaftsstruktur als zusammengehörig betrach­ten und die auf keiner anderen höheren Ebene als der der Menschheit selbst unter einem gemeinsamen Oberbegriff zusammengefaßt werden können. Alle diese hier angeschnittenen Probleme und Fragestellungen wird eine uni­versalgeschichtliche Betrachtungsweise an Hand des ihr von der Einzelfor­schung zur Verfügung gestellten Materials zu untersuchen haben, um auf diese 3S) Aus der umfangreichen Literatur über Toynbee vgl. Christopher Dawson Toyn­bees Study of History in Universalgeschichte (wie Anm. 5) 134-144, Engel-Janosi Universalgeschichtsschreibung 267 ff und Othmar F. Anderle Toynbees Antwort an seine Kritiker in HZ 208 (1969) 81-97. 39) Franz Borkenau Ende und Anfang. Von den Generationen der Hochkulturen und von der Entstehung des Abendlandes, hg. von Richard Löwenthal (Stuttgart 1984). 40) Vor allem darf nicht übersehen werden, daß mit den Hochkulturen nur ein Teil des historischen Prozesses erfaßt wird. Weder dürfen die Leistungen der sogenannten Pri­mitiven noch die denkbare Möglichkeit vernachlässigt werden, daß die Dynamik in der Entwicklung einzelner Kulturen ihr Ziel in einer Statik haben kann, die nur noch sich selbst wiederholend reproduziert. Die fünf oder sechs Jahrtausende menschlicher Ge­schichte, auf die sich unsere Aufmerksamkeit meist konzentriert, dürfen unseren Blick nicht für die Möglichkeit verdunkeln, daß es sich dabei nur um eine Übergangsphase in der Menschheitsentwicklung handeln könnte; vgl. Jaspers Sinn der Geschichte 425 f. 41) Das gilt natürlich ebenso für den oben angesprochenen Prozeß der Zivilisation, der gleichfalls quer durch eine Reihe von Zivilisationen und Kulturen unter Berücksichti­gung der zwischen ihnen bestehenden Wechselwirkungen und Beziehungen verfolgt werden muß. Zur Problematik der Hochkulturen, allerdings bei Nichtberücksichtigung der in der vorigen Anmerkung erwähnten Einschränkungen, vgl. auch Sc hie der Ge­schichte als Wissenschaft 22 f und 222.

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