Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

SCHÖNFELLNER, Franz: Der Bund als Gesellschafter der WÖK in der Ersten Republik

Der Bund als Gesellschafter der WÖK 149 fortzuführen. Die „offenen Kriegsküchen“ der Gemeinde Wien sollten zu­nächst weiter die Ausspeisung der minderbemittelten Wiener Bevölkerung leisten. Dazu war geplant, daß die Gesellschaft Lebensmittel direkt aus den Nachfolgestaaten herbeischaffen sollte, doch mußten diese Überlegungen an den politischen Gegebenheiten scheitern; das Staatsamt für Volksernährung mußte zunächst die notwendigen Lebensmittel zuweisen3). Bei der Veranschla­gung des Bundesanteiles am Stammkapital im Nachtragshaushalt für 1919 sprach sich dieses Staatsamt dagegen aus, den ersten Teilbetrag von fünf Millionen Kronen zu Lasten des Kap. 34 „Kriegsmaßnahmen“, Titel 7 „Er­leichterung der Lebensführung“, § 1 „Mindestbemittelte“ zu verrechnen, da die offenen Kriegsküchen mehrheitlich von Personen frequentiert würden, die nicht zu den Mindestbemittelten im Sinne der Widmung zählten. Das Staats­amt für Finanzen beharrte auf seinem Standpunkt4), obwohl auch von dieser Seite an eine entsprechende Einschränkung der Tätigkeit der Gesellschaft nicht gedacht wurde. 68 „offene Kriegsküchen“ waren in Wien zu Kriegsende betrieben worden; sie gaben täglich meist Suppe und Gemüse, manchmal eine Mehlspeise statt Gemüse, um 30 Heller ab. Sie sollten so geführt werden, daß sie keinerlei Subventionen benötigten. Etwa 100.000 Personen hatten sich während des Krieges täglich um Essen angestellt; da die Gästezahl aber stark schwankte, war die Kalkulation sehr unrationell. Der Zentralverband der Gemeinschafts­und Kriegsküchen wollte im Herbst 1919 die offenen Kriegsküchen und die Ausspeisungsaktionen der Gemeinde Wien übernehmen5); doch wurde dies nicht realisiert. Auch die Firma „Hegea“, gegründet als Nutzpflanzenverwer- tungs-Gesellschaft, bot an, die Küchen mit Privatkapital zu führen6); dies wurde Anfang Oktober 1919 vom Staatsamt für Volksemährung abgelehnt. Im selben Monat wurde die Vienna Public Feeding Ges. m. b. H. ins Leben gerufen, im Frühjahr 1920 wies die American Relief Administration, European Children’s Fund, in einem Schreiben an die Präsidentschaftskanzlei nach­drücklich darauf hin, daß der „Wiener Öffentlichen Ausspeisung“ die Verwen­dung von Geschäftspapieren und Legitimationen mit Aufdrucken wie „Office of the Advisor to the Austrian Government“ oder die Bezeichnung 3) Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien (=AVA) Staatsamt für Volksemährung (=STAVE) Fasz. 125 ZI. 17.827/1920. 4) FA Allgemeine Abteilungen (= A. A.) ZI. 80.336-11/1919 und AVA STAVE Fasz. 125 ZI. 57.842-6/1919. Mit ZI. 79.014/1925 wurde schließlich die zweite Hälfte des Stammka­pitals vom Finanzministerium überwiesen; dazu FA A.A. ZI. 15.227-11/1921. 5) AVA STAVE Fasz. 125 ZI. 50.686/1919. Neben den „offenen Kriegsküchen“ gab es in Wien noch eine ganze Reihe von Ausspeisungen: Gemeinschaftsküche der Schriftstel­ler, Fahrküchenaktion, Einheitsküche im Invalidenhaus, Küchen des Kuratoriums zur Speisung bedürftiger Kinder u. a. m. (FA Index der Abt. II 1919-1921, Schlagwort „Kriegsküchen“). 6) Unter anderem mit dem Hinweis auf den drohenden Mangel an Brennstoffen angesichts des zu erwartenden strengen Winters. Da kurz darauf die „Vienna Public Feeding“ gegründet wurde, dürften allerdings andere Gründe ausschlaggebend gewesen sein.

Next

/
Thumbnails
Contents