Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

FINK, Manfred: Das Archiv der Republik – ein Archiv der Zukunft? Massenschriftgutverwaltung im Österreichischen Staatsarchiv

Das Archiv der Republik 145 Tatsache ist nur, daß neben politischen (oder streng genommen historischen) Ereignissen die Erforschung wirtschafts- oder sozialgeschichtlicher Themen­stellungen verstärkt auf Behördenakten wird zurückgreifen müssen. Wichtig ist auch, den Forschem einmal den Zugang zu den Quellen zu erleich­tern, indem man ihnen durch moderne Arbeits- und Informationstechniken im Labyrinth der Verwaltung den effizienten Forschungsweg vorzeichnet. Es wird eine der wichtigsten Aufgaben sein, den Historikern die Scheu vor der Büro­kratie zu nehmen und grundsätzlich das Vorurteil, welches das Massenschrift­gut in seiner Gesamtheit von vornherein als wertlos qualifiziert, zu bekämpfen. Wie können diese Vorbehalte ausgeräumt werden? a) Moderne Techniken: Das AdR muß in der Lage sein, den Forschenden in wesentlichen Bereichen die Vorteile eines gezielten Archivmanagements durch attraktive Serviceeinrichtungen anzubieten und ihnen die Übernahme moder­ner Arbeitstechniken zu erleichtern. b) Gesellschaftliche Präsenz: Das AdR muß sich durch Ausstellungen, Vorträge oder Diskussionsveranstaltungen als ein wesentlicher Bestandteil des wissenschaftlichen Lebens etablieren und mit anderen Institutionen zu einem kreativen Konkurrenzkampf antreten. c) Public Relations: Verstärkter und akzentuierter Einsatz im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit ermöglicht es erst, durch Medien (Zeitungen und Funk) einen weiten Kreis von Interessenten anzusprechen. d) Bestandserwerbungen: Wie wichtig auch immer die Erschließung des behördlichen Schriftgutes für die Forschung sein mag, unbestritten ist, daß viele Entscheidungen außerhalb der behördlichen Institutionen fallen und dort dokumentiert sind. So haben Ministerratsprotokolle der 80er Jahre gegenüber den Protokollen der Ersten Republik vom Quellenwert her wohl deshalb an Bedeutung verloren, weil heute die in diesem Gremium zu treffenden Entschei­dungen bereits in Vorbesprechungen oder Parteisitzungen fallen. Das Republikarchiv wird also eine Fülle von „Erwerbungen“ unabhängig von dem ihm zustehenden behördlichen Schriftgut tätigen müssen, um einerseits den archivischen Anspruch einer sachlichen Geschlossenheit wahren zu können und andererseits der Forschung die Erarbeitung bestimmter Themenstellungen in ihrer Vielfalt im Rahmen des österreichischen Staatsarchivs zu ermögli­chen. VI „Ein wesentliches Ziel ist auch die Erreichung eines besseren Nahverhältnisses zwischen Bürger und Behörde“47). Der gesellschaftliche Wandel im Bewußtsein von Bürger und Verwaltung hat vor allem in den letzten Jahrzehnten das Leistungsbild der Verwaltung weitestge­hend vom obrigkeitsstaatlichen Prinzip entkleidet. In weiten Bereichen dieser staatlichen Verwaltung haben die Bediensteten die wohl manchmal schmerz­hafte Erfahrung machen müssen, daß neue Methoden und Strategien die 47) Neck Archiv und Verwaltungsreform 45. Mitteilungen, Band 39 10

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