Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)
FINK, Manfred: Das Archiv der Republik – ein Archiv der Zukunft? Massenschriftgutverwaltung im Österreichischen Staatsarchiv
Das Archiv der Republik 133 Methoden zurechtgekommen, Informationen aufzubewahren, die von der Struktur her aus einem anderen gesellschaftlichen Umfeld stammen? Und wie steht es mit dem archivarischen Selbstverständnis, seitdem sich eben diese Archive „nicht nur als Instrument zur Wahrung der Kontinuität von Rechtsansprüchen“ der jeweiligen Archivträger, sondern vornehmlich zu „administrativen Informationsspeichern“IS 16) entwickeln? In den Archiwerwaltungen der meisten westlichen (und auch östlichen) Industriestaaten hat sich dieser Anpassungsprozeß an das Massenschriftgut, also an die neuen gesellschaftlichen Bedingungen in der archivarischen Tätigkeit, weitestgehend, wenn auch nicht immer reibungslos, vollzogen. Dies zeigen auch die Tagungsthemen17 18), die in verstärktem Maße wiederholt nicht nur die Probleme der Massenschriftgutverwaltung zur Diskussion stellen, sondern zum Teil auch schon diesbezügliche konkrete Ergebnisse anbieten können. In Österreich hingegen stellt sich dieses Problem zum größten Teil noch unbewältigt. Vielleicht ist der „aktenfreie Raum“ von 1938 bis 1945 psychologisch daran schuld gewesen, daß zwar bereits seit 15 Jahren darüber diskutiert, aber bis 1984 keine echte Lösung in die Wirklichkeit umgesetzt werden konnte; eine Lösungsmöglichkeit, die zumindest annäherungsweise in der Lage wäre, den Schwierigkeiten der Massenschriftgutverwaltung gerecht zu werden, und die Einrichtung von Institutionen forciert hätte, wie sie bereits jahrelang in vielen Ländern Europas und in Nordamerika bestehen. Denn Zwischenarchive waren allgemein eine erste und letzte Antwort vieler Archivverwaltungen auf das drängendste Problem, nämlich das der Raumnot. „Gegenüber dem beträchtlichen Wachstum der Ablieferung klagten zahlreiche Archive über chronischen Platzmangel oder zumindest über Schwierigkeiten der Magazinierung“le). So wurden in England, Frankreich oder Deutschland19), um nur drei der wichtigsten Beispiele zu nennen, in eigenen Gebäuden Zwischenarchive eingerichtet, die ihren Aufgaben unabhängig vom „Hauptarchiv“ nachgehen. In Österreich gibt es diese institutionellen Erfahrungen im Stadium eines Prototyps erst seit Mai 1984. Wie bereits im einleitenden Abschnitt angedeutet, hat das Archiv der Republik/Zwischenarchiv in der Andreasgasse erst einen Bruchteil der ihm im Sinne eines echten Zwischenarchivs „zustehenden“ IS) Friedrich P. Kahlenberg Die Ausbildung von Medienarchivaren. Zusatzbeitrag der Dritten Plenarsitzung am X. Internationalen Archivkongreß (Bonn 1984) 2. 17) Vgl. „Die Herausforderung der Archive - wachsende Aufgaben bei begrenzten Mitteln“ (X. Internationaler Archivkongreß, Bonn 1984); „Technische, räumliche und personelle Erfordernisse der modernen Archivverwaltung“ (19. Österreichischer Archivtag, St. Veit/Glan 1985), „Creation and Organisation of Contemporary Records“ (European Archival Conference, Budapest 1985) und „Rationalisierung im Archivwesen - Möglichkeiten und Grenzen“ (57. Deutscher Archivtag, Hannover 1985). 18) Gauye Die Herausforderung der Archive 19. 19) Vgl. Gerhard Johann Der Neubau des Bundesarchiv-Zwischenarchivs bei Bonn in Archivalische Zeitschrift 68 (1972) 93 ff und grundsätzliche Bemerkungen zu den Erfahrungen in England und Frankreich von Richard Bl aas Das Zwischenarchiv. Funktion und Bedeutung in Scrinium 4 (1971) 13 ff.