Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

WOHLGEMUTH, Edith: Theodor von Sosnosky und sein Nachlaß

120 Edith Wohlgemuth befand sich in diesem Zusammenhang im lebhaften Meinungsaustausch mit dem Herausgeber Sir George Walter Prothero32). Die Verschiedenheit des britischen vom österreichischen Standpunkt Sosnoskyscher Prägung kam dar­in deutlich zum Ausdruck. Doch ist der Ton dieser Erörterungen, der aus einer erklecklichen Anzahl von Briefen Protheros zwischen 1920 und dessen Tod im Sommer 1922 widerhallt33), von Freundschaft bestimmt und einem geduldigen Eingehen auf die offenbaren inneren und äußeren Nöte des Briefpartners, dessen Produktionen (Artikel und Rezensionen) er auch in anderen englischen Organen unterzubringen versuchte, wenn sie für die Quarterly Review nicht geeignet waren. Sosnosky verfiel — vielleicht ganz unbewußt — zweifellos ins Dozieren. Er wollte überzeugen, womöglich bekehren und bessern. So hatte er der britischen Regierung ein Memorandum überschickt, in dem er, wie er es eben sah, die Fehler der Ententepolitik aufzeigte und Vorschläge, sie wieder gut zu machen, besonders im Hinblick auf die Verhältnisse im Raum der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie, unterbreitete. Es ist nicht klar, ob diese Denkschrift das Foreign Office überhaupt erreicht hat. Sir Prothero hatte sie jedenfalls zu lesen bekommen und kommentiert - behutsam wie immer34). Sosnoskys englische Verbindungen rissen auch nach dessen Hinscheiden nicht ab, doch wurde nun seine prohabsburgische Tendenz schroffer in die Schran­ken gewiesen. Eine Zustimmung der Redaktion der Quarterly Review zur weiteren Zusammenarbeit wurde mit der trockenen Feststellung verbunden: „ ... but such books as you give we should prefer to review from our own point of view, as you will recognize — the Quarterly Review being a British periodical“35). Nicht nur die Politik der Habsburger, auch die Lebensgeschichten einzelner Mitglieder dieser Familie fesselten Sosnosky. In seinem Nachlaß findet sich Material im typischen Gemisch von fremden Untersuchungen, eigenen Bespre­chungen von Büchern anderer Autoren und eigenen Studien, gesammelt aus einer Vielzahl von in- und ausländischen Zeitungen. So galt sein Interesse nicht nur den Kaisern Franz Joseph36) und Karl37), Maximilian von Mexiko38) und dem Kronprinzen Rudolf39), dessentwegen er offenbar einen Weg zum Sohn des verstorbenen Ministerpräsidenten Eduard Graf Taaffe gesucht hatte, um an das diesem vom Kaiser anvertraute Protokoll im Zusammenhang mit der 32) 1848-1922, Professor für neuere Geschichte, Mitglied der Britischen Akademie der Wissenschaften, Mitherausgeber der Cambridge Modem History 1901-12 und Generaldi­rektor des Foreign Office Peace Handbook 1917-19. Ich danke für die Übermittlung dieser Angaben Mrs. Lavender Goddard-Wilson. 33) NIS XVI Englische Korrespondenz. < 34) Ebenda Schreiben Sir Protheros, 1920 August 10. 35) Ebenda Schreiben des Coeditors der Quarterly Review, C. E. Lawrence, 1922 Dezember 19. 36) NIS I. 37) NIS 1 und H. 38) NISI. 39) MS III.

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