Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

WOHLGEMUTH, Edith: Theodor von Sosnosky und sein Nachlaß

Theodor von Sosnosky 119 tikfreudigen ein weites Feld, Vorwürfe, zum Beispiel gegen die deutsche Führung, gegen die österreichische Kurzsichtigkeit, vor allem gegenüber italie­nischer Hinterlist23), und natürlich gegen die Entente anzubringen, die eine Ordnungsmacht wie die österreichisch-ungarische Monarchie zerschlagen hätte, nur, wie er meinte, um das Deutsche Reich niederzuringen24). Prophe­tisch stellte er fest: „ ... Die letzten Zuckungen des Weltbrandes vor dessen völligem Verlöschen... sind in Wahrheit die ersten Vorboten eines neuen Weltbrandes.“ Es sei denn, es geschähe das „Wunder, daß die Völker Europas von dem hypertrophischen Nationalismus genesen sollten... “25). In der veränderten Welt suchte und fand Sosnosky seinen Halt in der Unwan­delbarkeit seiner Treue zum vernichteten Habsburgerreich. In die Rolle eines Habsburgerhistoriographen hineinwachsend26), stellte er sich die Aufgabe, innerhalb der aufflammenden Diskussion um die Kriegsschuldfrage Geschehe­nes, wenn es seine Sicht zuließ, zu rechtfertigen und allem voran die öster­reichische Politik gegenüber Deutschland während des Krieges, im besonderen die Friedenspolitik Kaiser Karls, zu verteidigen. Der Angriffe gab es genug. Sosnosky trat in seinen Rezensionen und essayistischen Stellungnahmen zur nach und nach erscheinenden einschlägigen Literatur als eifriger Streiter für Habsburgs Ehre auf - immer jedoch so, daß er im Einbekenntnis auch von Mängeln und Schwächen der objektiven Wahrheit zu dienen versuchte. Das geht vor allem aus seinen Studien über Kaiser Franz Joseph hervor, dessen Politik des Ruhebedürfnisses er eine große Schuld am Lauf der Dinge bei­maß27). In seinen Untersuchungen, wie alles gewesen war, griff er zurück bis 1859 und 186628), widmete größte Aufmerksamkeit dem Bismarckschen Ver­halten gegenüber Österreich29), der Balkankrise und Rußland30) und recht eindringlich der ihm unbegreiflichen Italienpolitik des Wiener Kabinetts31). Sein Patriotismus mochte dabei immer wieder Gefahr laufen, den Boden angestrebter Objektivität ganz unwillkürlich zu verlassen. Fast tragisch mutet es an, daß er mit seinem Eintreten für die habsburgische Politik auch ein Publikum überzeugen wollte, dem dieses Thema an und für sich ziemlich ferne lag. Das galt bis zu einem gewissen Grad schon für ein überdrüssiges und verständnisloses deutsches, vielmehr aber für Leserkreise im nicht deutsch­sprachigen Raum. Seiner Arbeit für die Quarterly Review wurde schon Erwähnung getan. Er 23) MS XV. 24) MS VI Aufteilungsidee. Zusammenbruch. Donaufrage. 25) Die österreichische Frage 1919 m Neue Zürcher Zeitung 1919 Oktober 13 bzw. MS VI Aufteilungsidee. Zusammenbruch. Donaufrage. 26) Ein Habsburger-Buch, über das er mit dem Verlag Kösel & Pustet in München verhandelte, kam allerdings nicht zustande. MS XVI. 27) MS I, XV. 28) MS H. 29) MS IX. 30) MS vni. 31) MS XI.

Next

/
Thumbnails
Contents