Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

WOHLGEMUTH, Edith: Theodor von Sosnosky und sein Nachlaß

Theodor von Sosnosky 117 schweißen vermochte oder eben überhaupt darauf eingestimmt war. So lautete seine Forderung: kein Klerikalismus, Ausschaltung der zerstörenden Kraft des Nationalitätenhaders und der für ihn gleichartigen in der - gerade wenn sie journalistisch gut war - liberalen, das heißt von Juden beherrschten Presse. Sein Antisemitismus war nicht gegen den Menschen selbst gerichtet, sondern gegen die politische Tendenz jedem österreichischen Patriotismus abholder Kreise, die ihre großen Mittel dafür einsetzten, den inneren Frieden zu unter­graben, an sich schon widerstrebende Mächte tückisch gegeneinander auszu­spielen und den Ausbau staatserhaltender Fundamente zu verhindern11). Da im nichtliberalen Lager nach Sosnoskys Anschauung kein echtes Gegenge­wicht gegen diese jüdische, auch freimaurerisch gelenkte Zeitungsvormacht zu finden war, dünkte ihm das vorhandene, wenn auch vielfach verschüttete Bedürfnis aller Gutgesinnten seines großen Vaterlandes nach einer Presse, die dessen Regierungsfähigkeit wieder herstellen sollte, als Motivation stark ge­nug, daß er nicht fürchtete, sein Plan werde im typisch österreichischen Pessimismus untergehen. Natürlich war ihm klar, daß für dessen Verwirkli­chung allerdings einflußreiche und kapitalkräftige Personen gewonnen werden mußten. Jahrelang trug er diesen Plan mit sich herum, erörterte ihn, wo er konnte und auf Zustimmung stieß - zum Beispiel bei Torresani schon 189812) und bei Generaloberst Dankl noch 192013) doch als er, ein glühender Anhänger des Erzherzog Thronfolgers Franz Ferdinand mit dessen Militärkanzlei in engere Beziehung kam, schien die Erfüllung seines Traumes in absehbare Nähe zu rücken. Allerdings besaß das Belvedere bereits in Baron Leopold von Chlumec- kys Österreichischer Rundschau, Friedrich Funders Reichspost und vor allem C. M. Danzers Armeezeitung Sprachrohre14). Doch ist den Briefen der Vorstän­de der Militärkanzlei, Oberstleutnant von Brosch und nach ihm Oberst Bar- dolff, zu entnehmen15), daß Sosnoskys fleißige Feder, die er kritisch und beschwörend in den Dienst der österreichischen Sache stellte, die Billigung des hohen Herrn gefunden hatte, dem nach menschlichem Ermessen der Neubau der Monarchie einmal als unabdingbare Aufgabe zufallen würde. Sosnosky veröffentlichte seine klugen politischen Analysen in der Österreichischen Rundschau und in der Quarterly Review. Für eine regelmäßige politische Berichterstattung stand ihm die Münchner Allgemeine Zeitung zur Verfügung. Auch seine Bücher Die Politik im Habsburgerreich, zwei Bände 1912-13, und “) Das Judentum in Österreich und die Wiener Presse (anonym) von einem Österrei­cher (Hannover 1895). 12) KA Nachlaß-Sammlung B/l 1898 November 9. 13) Generaloberst Viktor Graf Dankl von Krasnik (1854-1941), von Exkaiserin Zita ernannter Führer der legitimistischen Bewegung, zwischen 1933 und 1938 Präsident des „Reichsbundes der Österreicher“. 14) Martha Sitte Alexander von Brosch, der Flügeladjutant und Vorstand der Mili­tärkanzlei des Thronfolgers Franz Ferdinand (phil. Diss. Wien 1961) 23. 15) NIS XV Briefe von der Militärkanzlei des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdi­nand Brosch 1910—1911 (vgl. Sitte Brosch 25 f) und Dr. Bardolff 1912-1914; vgl. Carl Freiherr von Bardolff Soldat im alten Österreich (Jena 1938).

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