Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 39. (1986)

WOHLGEMUTH, Edith: Theodor von Sosnosky und sein Nachlaß

116 Edith Wohlgemuth Bayern und Rheinländer rechnete6), ein Schicksal, das er mit vielen Österrei­chern teilte, vor allem wenn sie, wie er, dem Soldatenstand entsprossen7). Er liebte sein Vaterland über alles. Diese Liebe machte ihn jedoch nicht blind für so manche Kritikwürdigkeit der Verhältnisse, was er so unverhohlen zum Ausdruck brachte, daß er nicht selten bei denen auf Ablehnung stieß, auf deren Wohlwollen er eigentlich angewiesen war, bei Redaktionen, die ihr Geschäfts­interesse angesichts politischer Tagessituationen geschmeidiger zu wahren wußten. Trotzdem behauptete er später, mit seiner scharfen Kritik an Maßnah­men der monarchischen Regierung in Österreich nie in ernste Schwierigkeiten geraten zu sein, wenn überhaupt, dann im Ausland, wo politische Rücksichten zwischenstaatlicher Beziehungen eine Rolle spielten8). Er streckte seine Fühler aus, wohin er konnte. Und da der Weg, den Sosnosky als Literat zu gehen hatte, ein recht steiniger war, drängten Notwendigkeit, Neigung und Begabung den unermüdlich Fleißigen zunehmend auf das Gebiet politischen Schriftstellertums, so daß etwa seit dem ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts das Übergewicht darauf gerichteten Forschens und Sammelns einsetzte, dem die Auswertung dicht auf dem Fuße folgte. Es waren nicht zuletzt Auslandserfolge, die ihm die Selbstbestätigung vermit­telten, die er brauchte. Eine Untersuchung über die britische Armee machte ihn, wie Torresani am 7. Jänner 1902 überschwänglich feststellte, zu einem „in England accreditierten Schriftsteller“9). Das militärische Fachgebiet bewegte ihn, einen eingefleischten Zivilisten, aber auch in näherliegenden Bereichen. Da die Armee die große Klammer innerhalb der für die Sehenden vom Zerfall bedrohten Monarchie darstellte, führte einer der Wege, sich zu ihrem Anwalt zu machen, über sie10). Aber da tauchte auch schon für den Journalisten, der nicht nur für Zeitungen schrieb, sondern mit brennendem Interesse Zeitungen las und sie als vielseitige Informationsquelle benützte und auswertete, der seine Fähigkeiten einzu­schätzen wußte und, das ist nicht zu verschweigen, der für sich endlich eine gemäße sichere Existenzgrundlage suchte, die Idee einer Zeitungsgründung mit besonderer Zielrichtung auf. Besaß doch Österreich nach seiner Meinung keine wahrhaft österreichische Zeitung, die mit allen Registern möglicher Meinungsbeeinflussung die da lebenden Menschen zum Bewußtsein der Zu­sammengehörigkeit aufzurufen, zu erziehen und schließlich zusammenzu­e) NIS XV Tod Franz Ferdinands. Gedenkartikel, unbenützt. Vgl. auch Sosnosky Die Politik im Habsburgerreiche 1 (Berlin 1912) 5 f. 7) Obwohl in dem Theodor von Sosnosky zum 70. Geburtstag im Österreicher vom 17. Jänner 1936 gewidmeten Artikel von einem „Oberstleutnant“ die Rede ist, findet sich im KA in den Personalakten keine Spur des Vaters, dessen Name auch im Militär-Schema­tismus des österreichischen Kaisertums nicht vorkommt. Nach Auskunft des Standesam­tes für den 19. Bezirk in Wien lautete der Vorname des Vaters Heinrich. Nähere Daten sind in dem dort verwahrten Totenschein Theodors nicht enthalten. 8) NIS XV Tod Franz Ferdinands. Gedenkartikel, unbenützt. 9) KA Nachlaß-Sammlung B/l 1902 Jänner 7. 10) Einer späteren Schaffenszeit erst gehören die Zusammenstellungen einiger Ge­schichten von k. u. k. Regimentern bzw. Materialsammlungen dafür an: NIS VIII.

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