Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)

LAUBACH, Ernst: „Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert. Zu Inhalt und Funktion eines politischen Begriffes

.Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert 41 Religionsgespräch passen 232). Herzog Christoph von Württemberg wollte gegebenenfalls die vor Passau erarbeiteten Punkte für die Modalitäten einer Nationalversammlung wieder vortragen lassen 233). Am ehesten ver­sprach er sich eine Einigung von der persönlichen Teilnahme aller Reichs­fürsten; dann könnte man die Religionsfrage in zwang- und affektionslo­ser Beratung wohl regeln, da doch alle getauft seien und mehrere un­ter den Weltlichen auch gute Bibelkenntnisse besäßen 234). Die Sorge eini­ger seiner Räte teilte er demnach nicht, daß in einer „synodus oder na­tional von Teutschen in Teutschlanden“ die Katholiken Sitz und Stimme allein für die Geistlichen beanspruchen könnten 235), — das wäre ein Nationalkonzil im ursprünglichen Sinne gewesen. Eine sächsisch-ernesti- nische Stellungnahme unterschied zwischen einem „Nationalkonzil“, das der Kaiser berufen und dessen Beschlüsse bei Strafe der Reichsacht ver­bindlich sein sollten, weshalb den auf ihre eidliche Bindung an den Papst verweisenden geistlichen Ständen zu erklären sei, daß ihre Verpflich­tung gegenüber dem Reich Vorrang habe, und einer offenbar auch vom Kaiser einzuberufenden „nationalsynodus oder christlich fruntlich ge- sprech“, die unter der Leitung von zwei Präsidenten in kleiner Besetzung zu arbeiten hätten; sollte dies von den Geistlichen boykottiert werden, müß­ten notfalls die weltlichen „Kur- und Fürsten für sich selbst allein oder aber mit zutun und hilf der gaistlichen, so solche synodos oder cristliche gesprech annemen und sich submittieren wollen, als sanior pars imperii“ einen Religionsfrieden aufrichten und den Zwiespalt vergleichen 236). Vielleicht kannte Dr. Konrad Braun, Kanzler des Kardinals von Augs­burg, die ernestinischen Ansichten, als er im Juni 1555 seinem Herrn als unausbleibliche Folge eines Verzichtes auf den „Geistlichen Vorbehalt“ das Schreckbild zeichnete, wie zahlreiche übergetretene Bischöfe nach Säkularisierung ihrer Stifte gemeinsam mit den protestantischen Fürsten „ein national versamblen“ und die restlichen katholisch gebliebenen Für­sten „durch decreta consiliaria auszudelken understeen“, ja sie womög­lich samt Kaiser und König vertreiben würden 237). Die zur Eröffnung des Reichstages verlesene Proposition aber enthielt entsprechend der bisherigen negativen Einstellung des Kaisers eine klare Absage an ein „Nationalkonzil“ mit der Begründung, es sei „der Nahm und Form desselben bey diesen unsern Zeiten nicht sonders bekannt oder 232) Corr. Straßburg 5, bearb. von Walter Friedensburg (Heidelberg 1928) 570 f. 233) Ernst Briefwechsel 3 62 f. 234) Ebenda 130 f. Christoph nennt das eine „persönliche reichsversamlung und zusamenkunft“, die er nicht als „nationalconcilium“ versteht; das Wort „Na­tionalversammlung“ benutzt er in dieser Instruktion (1555 April 24) nicht. 235) Ebenda 14. 236) Druffel Briefe 4 (München 1896) 584 ff, das Zitat 587. 237) Ernst Briefwechsel 3 244 (n. 107 Anm. 2).

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