Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)

GÖBL, Michael: Die Pläne des Architekten Heinrich von Ferstel im Allgemeinen Verwaltungsarchiv

Die Pläne des Architekten Heinrich von Ferstel 413 völlig unregelmäßige Grundriß, ein schmaler „Schlauch“ zur Freyung, aufge­setzt auf eine rechtwinkelige Dreiecksparzelle zwischen Strauch- und Herren­gasse, andererseits die harmonische Verbindung von Bank und Börse mit Geschäftslokalen, Wohnräumen und einem Kaffeehaus. Dem damals erst 27jährigen Heinrich Ferstel, der kurz zuvor aus der allgemeinen Konkurrenz um den Bau der Votivkirche als Sieger gegen 61 Mitbewerber hervorgegangen war, gelang es nun, mit seiner Raumaufteilung einen ausgewogenen Ausgleich zwischen Zweckmäßigkeit und Repräsentation zu schaffen: Die Bank erhielt den Trakt gegen die Herrengassse; die Börse, mit einem größeren Raumanteil ausgestattet, wurde im Gebäudekomplex an der Strauchgasse untergebracht. Das aufwendig gestaltete Stiegenhaus führte von der Strauchgasse über einen glasgedeckten Hof zum großen Börsensaal. Den Schlauch zur Freyung hin verwendete er als glasgedeckte Galerie mit den Geschäftslokalen - den Bazar. Im Schnittpunkt der Passagen schuf Ferstel einen sechseckigen, mit einer Glaskuppel überdachten Hof, in dem der „Donauweibchen-Brunnen“ Fern- koms Aufstellung fand. Das im Stil der italienischen Renaissance errichtete Bank- und Börsengebäude konnte 1860 seiner Bestimmung übergeben werden. Infolge des wirtschaftli­chen Aufschwungs litt die Börse jedoch bald unter Raumnot und übersiedelte schließlich 1877 in den für sie errichteten Prachtbau Theophil Hansens am Schottenring. In den frei gewordenen Räumlichkeiten fand das k. k. Militärka­sino bis 1911 Unterkunft. Das „Noteninstitut“, seit 1878 „österreichisch­ungarische Bank“ genannt, überdauerte hier Weltkrieg, Zusammenbruch und Inflation und übersiedelte erst 1925, nun wieder als „Nationalbank“, in den schon 1913 begonnenen Neubau auf dem Alsergrund. Die nun folgenden Jahrzehnte des Verfalls wurden erst durch den Beschluß der jetzigen Eigentümerin, der österreichischen Realitäten AG, zur Revitalisie­rung beendet. Nachdem Bazar und Innenhof seit kurzem fertiggestellt sind, sollen der Börsensaal und auch das bislang nur provisorisch untergebrachte legendäre „Café Central“ wiederhergestellt werden. Literatur: Allgemeine Bauzeitung 25. Jahrgang (Wien 1860) N orbert Wibiral-Renata Mikula Heinrich von Ferstel (Die Wiener Ringstraße -Bild einer Epoche VIII/3, Wiesbaden 1974) 156ff Heinrich von Ferstel, Bauten und Projekte für Wien, Ausstellungskatalog (Wien 1983/84) Peter Pötschner Zur Baugeschichte von Heinrich Ferstels Bank- und Börsengebäude in Österreichische Zeitschrift für Kunst- und Denkmalpflege 35 (1981) 124f A. Machatschek Die Restaurierung des Bank- und Börsengebäudes von Heinrich Frh. von Ferstel in Wien, ebenda 125—131 Signatur: A-II-d/1 Blatt 1-3, Studien zur Gestaltung der Außenfassade Blatt 1: Aufriß eines italienischen Renaissancepalastes, links eine fünfachsige, dreige­schossige Kirchenfassade mit erhöhtem Mittelteil und Rundbogen. Der Palast dreigeschossig mit starker Horizontalgliederung durch Stockwerk­gesimse. Die einzeln, achsial übereinandergestellten Rundbogenfenster haben

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