Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)

LAUBACH, Ernst: „Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert. Zu Inhalt und Funktion eines politischen Begriffes

.Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert 25 haben136). Zweifellos zu Unrecht, denn in der Logik der ständischen Argumentation konnte als dritte Möglichkeit nach einem vom Kaiser anstelle des säumigen Papstes berufenen Generalkonzil nicht ein — vom päpstlichen Placet abhängiges — Nationalkonzil folgen, sondern nur die eben ohne solche Zustimmung für möglich erachtete „Nationalversamm­lung“, als die sich die deutschen Reichsstände konstituieren würden. So kommt im Regensburger Reichstagsabschied von 1532 die „National­versammlung“ nicht vor; falls kein Konzil zustandekomme, wird nur ein neuer Reichstag versprochen 137). In dem den Abschied ergänzenden Man­dat vom 3. August, durch das Karl V. den „Nürnberger Religionsfrieden“ sanktionierte, ist noch allgemeiner die Rede nur vom Zusammenrufen der Reichsstände zwecks Beratung 138). Interessanterweise hat Karl V. vier Jahre später selbst den Gedanken an eine Nationalversammlung einmal gegenüber seinem Bruder Ferdinand zur Diskussion gestellt, obwohl wenige Monate vorher Papst Paul III. (1534—1549) ein Generalkonzil für den 23. Mai 1537 nach Mantua aus­geschrieben hatte, dessen Zustandekommen indessen noch nicht gesichert schien 139 * *). Die Überlegung des Kaisers steht im Rahmen einer Erörte­rung, auf welche Weise man die für die Glaubens- und Reichseinheit be­drohliche Entwicklung steuern könne, wenn es infolge der feindlichen Haltung des französischen Königs doch nicht zur Lösung durch das Kon­zil komme 14°). Karl warf zuvor die Frage auf, welchen Zuspruch ein von ihm gegen den Willen des Papstes und Frankreichs einberufenes Kon­zil in Europa und Deutschland wohl finden werde; neben diesen offen­bar als nur wenig aussichtsreich erachteten Gedanken stellte er drei an­dere Möglichkeiten, darunter die, ob man eine „assemblée nationale“ in Deutschland veranstalten solle, um solche Probleme, die nicht die Sub­stanz des Glaubens berührten, entweder zu vergleichen oder zu .dissi­mulieren1 141). Hinter den anderen von Karl genannten Eventualitäten — Abschluß eines 136) jvß 1/Erg. 2 245 f, 261, 309. Auch in den nächsten Jahren wird in den Berichten der päpstlichen Vertreter in Deutschland jede Erinnerung an Alter­nativen zum Generalkonzil mit „concilio nationale“ wiedergegeben; Beispiele in NB 1/1 315, 366, 385, 421, 500; 1/6 95 f, 128 f; 1/7 317, 319, 352, 576. 137) Neue Sammlung (wie Anm. 9) Teil 2 356. iss) Adolf Engelhardt Der Nürnberger Religionsfriede von 1532 in Mit­teilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 31 (1933) 115 ff; vgl. Peter Eassow Die Kaiser-Idee Karls V. dargestellt an der Politik der Jahre 1528—1540 (Berlin 1932) 99. iss) j e d i n Konzil von Trient 1 252 ff. 140) In der viel erörterten französischen Instruktion für Vizekanzler Held an Ferdinand vom Oktober 1536, gedruckt bei L a n z Correspondenz 2 268—272. Eingehende Behandlung bei R a s s o w Kaiser-Idee 301 ff. «i) „... ou si Ion deura faire une assemblee nationale en ladicte Germanie, et compourter et dissimuler aucunes choses que ne seront substanciales et essentiales de notre saincte foy ...“ (L a n z Correspondenz 2 270).

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