Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)

LAUBACH, Ernst: „Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert. Zu Inhalt und Funktion eines politischen Begriffes

.Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert 21 des status quo verhandeln wollten, wurde immer nur das Konzil als End­punkt genannt u4). Karl V. und seine Berater haben keine Anstalten gemacht, den Augs­burger Reichstag als die Erfüllung der mehrfachen Ständeforderung nach einer Nationalversammlung zu interpretieren. Der Kaiserhof hatte die Differenzierung zwischen Nationalkonzil und Nationalversammlung in den Jahren seither nicht nachvollzogen. Auch wenn der Kaiser zweifels­frei auf die Forderung nach der „Nationalversammlung“ eingeht, heißt es in seinen einschlägigen Schreiben regelmäßig „Nationalkonzil“. Ob der Grund in beschränkten deutschen Sprachkenntnissen, die für die Wahr­nehmung des feinen Unterschiedes nicht hinreichten, zu sehen ist? So zitierte er in einem Schreiben an die drei geistlichen Kurfürsten jenen Passus des Abschieds von Speyer 1526 „eins generals oder zum wenig­sten nationals concilien halb“ 114 115). Vor dem zweiten Speyrer Reichstag äußerte er gegenüber Ferdinand seine Bedenken gegen die Alternative „concille general ou national“, wie sie in der Proposition für den Reichs­tag zur Diskussion gestellt werde 116 *); dabei muß er den vom Reichsvize­kanzler Merklin — vielleicht in Deutsch? — verfaßten Entwurf, der für die auf dem Reichstag nicht beizulegenden religiösen Streitpunkte in An­lehnung an den letzten Abschied die Einberufung eines Konzils „oder nationalversamlung“ anbot, gemeint haben m). Anscheinend hatte Merk­lin diesen während seiner Sendung zu verschiedenen Reichsständen im Jahre 1528 auch nicht exakt differenziert; denn in etlichen Niederschriften über seine Sondierungen heißt es, der Vizekanzler habe ein „National­konzil“ in Aussicht gestellt118). Da seine Instruktion verloren ist, läßt sich leider nicht feststellen, ob bzw. welche konkreten Vorstellungen da­mit verbunden waren. Auch zu Beginn des Jahres 1530 hielt Karl V. ein National- oder Provin­zialkonzil für untunlich, und sein Bruder stimmte ihm darin zu 119). Karls Vorstellungen liefen darauf hinaus, die Position des Richters („juge“) über die Streitfragen einzunehmen bzw. in seiner Eigenschaft als advoca­tus ecclesiae darüber zu befinden 12°). Eine inhaltliche Erörterung der 114) Vgl. Herbert Immenkötter Um die Einheit im Glauben. Die Unions­verhandlungen des Augsburger Reichstages im August und September 1530 (Münster 21973) 57, 64. us) Acta Ref. Cath. 1 580 f. ii«) KF 2: Familienkorrespondenz 1527—1530, bearb. von Wilhelm Bauer und Robert Lacroix (Wien 1937—38) 359 (Karl an Ferdinand, 1528 Dezem­ber 23). i”) Gedruckt RTA JR 7 1080—1084; die Stelle 1081 Z. 36 f. us) RTA JR 7 351 (Pfalz), 353 (Straßburg), 358 (Nürnberg). Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach hatte „Nationalversammlung“ verstanden; vgl. Hans von Schubert Beiträge zur Geschichte der evangelischen Bekenntnis- und Bündnisbildung 1529/30 (III) in Zeitschrift für Kirchengeschichte 30 (1909) 48. i») KF 2 562, 586 f. i20) Das geht aus den von Theodor B r i e g e r Beiträge zur Geschichte des

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