Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)

LAUBACH, Ernst: „Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert. Zu Inhalt und Funktion eines politischen Begriffes

.Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert 17 versucht hatte, durch Bekanntgabe einer Zusatzinstruktion des Kaisers alle unliebsamen Beschlüsse in der Religionsfrage zu unterbinden, in einer Resolution erneut die Alternative vorbrachten: Da wegen seines Kon­fliktes mit dem Papst das vom Kaiser angestrebte Generalkonzil so bald nicht zu erwarten sei, möge der Kaiser „bewilligen und zulassen, aufs furderlichst ein provinciall-concilium und versamlung Teutscher nacion auszuschreiben“, um dort das zu tun, was man für jenes Projekt in Speyer 1524 beabsichtigt habe 89). Dieser Vorschlag wurde von der Mehrheit der Reichsstände, die sich durch das Vorgehen Ferdinands auch brüskiert fühlten, auf gegriffen: Der die Weichen stellende große Ausschuß erar­beitete die Instruktion für eine Ständegesandtschaft an den Kaiser, die ihm ihre Auffassungen darlegen und die Einberufung einer religions­politischen Versammlung beantragen sollte. Betrachtet man die Genesis dieses Dokuments, so fallen die Variationen in der uns interessierenden Sache auf. Die Städte hatten an den Diskus­sionsstand vor zwei Jahren angeknüpft, aber die terminologische Diffe­renzierung, an der sie keinen Anteil gehabt hatten, verwischt. Die erste Skizze des Gedankenganges formulierte die Alternative „konservativ“ so, wie sie 1524 ursprünglich gelautet hatte: „generali concilium oder ... zum wenigsten ein national concilium“, an dem der Kaiser persönlich teilnehmen möge 90). Ob dann die Veränderung von „nációnál concilium“, wie es noch in dem als Grundlage der Beratungen dienenden Entwurf lautete91), zu „nációnál versamlung“ in der endgültigen Fassung92) im Ausschuß oder in den Verhandlungen der oberen Kurien oder erst durch das vierköpfige Redaktionskomitee, dessen Zusammensetzung wir nicht kennen93), vorgenommen worden ist, geht aus den Quellen leider nicht hervor, und dies erschwert die Antwort auf die Frage nach dem Warum. Denn es war damit ein Beschluß zustandegekommen, der in der Substanz das empfahl, was der Kaiser 1524 verworfen hatte. Vielleicht darf man diese Wiederaufnahme im Sinne einer Appellation ab imperatore male informato ad imperatorem melius informandum inter­pretieren. In der üblichen Rekapitulation der jüngsten Verläufe gaben die Stände recht deutlich zu verstehen, daß man das kaiserliche Verbot von 1524 für eine Fehlentscheidung hielt, die die „Unruhe des gemeinen Mannes“ nur vermehrt habe94). Nun schlugen sie eine Revision dieser Entscheidung vor, wobei sie die Erfahrungen von 1524 berücksichtigten, 89) Ebenda 552 ff. 90) HHStA Mainzer Erzkanzlerarchiv, Reichstagsakten 4d fol. 116r—123r: ratschlag und bedencken auf key Mat. instruction ..hier fol. 119v (ediert bei Friedensburg Speyer 1526 554—557, hier 556). „Concilium“ ist beide Male Korrektur für „consiln“ (freundlicher Hinweis von Frau Dr. Christiane Thomas). »i) Ebenda fol. 128v, 129v. 92) Ebenda fol. 138rv, 139r. 93) Dazu Friedensburg Speyer 1526 412 f. »*) Wie Anm. 90 fol. 136r. Mitteilungen, Band 38 2

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