Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)
SCHMIDL, Erwin A.: Zur Geschichte der k. (u.) k. Konsularvertretungen im südlichen Afrika bis zum Ersten Weltkrieg
K. u. k. Konsularvertretungen im südlichen Afrika 243 betroffen waren, die weder englisch noch holländisch sprachen und für die südafrikanische Politik nicht das geringste Interesse zeigten. Österreichi- scherseits waren schon bei den ersten Aktionen über 70 „Conationale“ unter den Ausgewiesenen, die unter unmenschlichen Bedingungen nach Europa deportiert wurden und oft erst in Wien erfuhren, daß man sie der Beteiligung an einer Verschwörung bezichtigte. Die typische Flucht der Landbevölkerung in die Städte und die ewige Furcht vor dem „Pauperismus“ waren weitere Motive, die die britischen Behörden zur Abschiebung verdächtiger Ausländer (wobei die beiden Begriffe oft synonym aufgefaßt wurden) veranlaßte. Auf verschiedenen britischen Listen sind insgesamt 171 deportierte Österreicher und Ungarn verzeichnet82), wobei freilich angenommen werden kann, daß die tatsächliche Zahl noch höher war. Seitens des k. u. k. Außenministeriums protestierte die Botschaft in London selbstverständlich sofort gegen diese Vorgangsweise. In langwierigen Verhandlungen mit einer eigens eingesetzten Untersuchungskommission, die von April bis Oktober 1901 dauerten, gelang es den ausländischen Vertretern (für die Donaumonarchie war dies der Rechtskonsulent der k. u. k. Botschaft in London, der britische Anwalt Lousada) schließlich, die königliche Regierung zur Zahlung einer Entschädigung zu bewegen. Der Österreich-Ungarn zugestandene Betrag von £ 15.000,—83) deckte immerhin etwa 80% der erlittenen Sachschäden (d. h. Verluste an Eigentum, in Südafrika zurückgelassene Effekten usw., nicht aber zusätzlich geforderte Abgeltungen „für Schimpf und Schande“ bzw. psychische Wiedergutmachung) und lag damit im Verhältnis weit höher als die anderen Staaten zugestandenen Abfindungen 84). Im Zuge der Verhandlungen waren in Österreich mit fast allen Ausgewiesenen Protokolle aufgenommen und durch die Konsulatsvertreter in Südafrika an Ort und Stelle Untersuchungen durchgeführt worden. Die vorliegenden Akten und Dokumente zeichnen ein erschütterndes, detailliertes und faszinierendes Bild des Lebens der einfachen Arbeiter im Johannesburg der Jahrhundertwende. Unter den Ausgewiesenen finden sich ziemlich alle Berufe. Viele waren Maurer oder Bauarbeiter und als solche auf den Minen gesuchte und gut- bezahlte Spezialisten. Doch gab es auch Angehörige weniger „typischer“ Berufe. Der österreichische Chemieprofessor August Prister beispielsweise lebte seit 1894 als technischer Chemiker einer deutschen Dynamitgesellschaft im Transvaal und war zuletzt bei der Ferreira Gold Mining Company in Johannesburg angestellt. Der Betrieb des Unternehmens wurde 82) Für die Übermittlung von Kopien dieser Listen bin ich Frau Fiona M. Barbour, Kimberley, zu Dank verbunden. 83) Deym an MdÄ n. 88, 1901 Oktober 31, London: Admin. Reg. F 36/16 Akt 229. 84) Deym an MdÄ n. 91 A—G, 1901 November 16, London: ebenda Akt 236 (bei 241). — Die Protokolle der Kommissionssitzungen in Admin. Reg. F 36/21 Akt 27. 16*