Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)

LAUBACH, Ernst: „Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert. Zu Inhalt und Funktion eines politischen Begriffes

16 Ernst Laubach gäbe, mit dem Papst über ein Konzil zu verhandeln84). In interner Kor­respondenz mit Ferdinand hat Karl die pejorativ gemeinte Bezeichnung „conciliabulum“ gebraucht, was wohl soviel wie „Schein-Konzil“ heißen soll85). — Mit der Kassation waren vorerst alle Möglichkeiten der Kon­kretisierung abgeschnitten, welche Gestalt eine „gemeine versamlung der teutschen nation“ hätte annehmen mögen. II Die weitere Entwicklung im Reich machte es unumgänglich, die Reli­gionsfrage wieder auf die Tagesordnung des nächsten Reichstages zu set­zen. Zwar hatten auch Karl V. und sein Bruder Ferdinand die Notwen­digkeit eines allgemeinen Konzils erkannt, jedoch erinnerte die Propo­sition für den Reichstag zu Speyer 1526 nochmals daran, daß der Alterna­tivvorschlag des letzten Reichstags, eben die „gemein versamlung Teut- scher nation“, aus dem Grunde, „das, sovil jetzo gemelten glauben und religion belangt, kein neuerung oder determination beschehen solt“, vom Kaiser verworfen worden war. Vielmehr versuchte Karl, die Beratungen des Problems darauf einzuengen, wie bis zur Abhaltung eines „freien (!) Konzils“ im Reich die Glaubenseinheit aufrechterhalten werden könne, und ein Nachsatz machte klar, daß darunter die Befolgung des Wormser Ediktes zu verstehen war86). Der Verlauf der Reichstagsverhandlungen ist hier nicht zu verfolgen87 88). Indessen waren mehrere Reichsstände, vor allem die der Reformation aufgeschlossenen großen Reichsstädte, mit der Auffassung zum Reichstag gekommen, daß das Edikt undurchführ­bar sei und darum zur Bewältigung der Religionsprobleme nach wie vor als Alternative ein „gemein christlich concilium, oder wo das in abwesen kais. mt. sein mocht, doch ein provintialconcilium von fromen, christ­lichen, unparteiischen gelerten leuten gehalten werd“ 8S). Es waren auch die Reichsstädte, die, nachdem der Erzherzog in den ersten Augusttagen 84) Lat. Fassung bei Raynaldus Annales Ecclesiastici 1524 § 21; dt. Fas­sung in Neues Urkundenbuch zur Geschichte der evangelischen Kirchenrefor­mation 1, hg. von Karl Eduard Förstemann (Hamburg 1842, ND Hildes­heim 1976) 204 ff. Dazu auch KF 1 200—203. 85) Karl an Ferdinand, 1524 Juli 8 (KF 1 199 f); Karl an das Reichsregiment, 1524 September 30 (nach Brasse Speierer Nationalkonzil 60). Bei anderer Gelegenheit sprach er von einer „conventicula“; zitiert von Karl Brandi Kaiser Karl V. 2 Bde (München 1937—1941), hier 2 215. 88) Friedensburg Speyer 1526 523—534, das Zitat 524. Vgl. Rainer Wohlfeil Der Speyerer Reichstag von 1526 in Blätter für Pfälzische Kirchen­geschichte und religiöse Volkskunde 43 (1976) 11. 87) Dazu Friedensburg Speyer 1526 passim. Im Wert stark gemindert durch unsaubere Terminologie und Fehler in Details ist Franz H a f f n e r Die Konzilsfrage auf dem Reichstag zu Speyer 1526 im Spiegel der damaligen außen- und innenpolitischen Situation in Blätter für Pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 37/38 (1970/71) 59—106. 88) Corr. Straßburg 1 255 f; vgl. die Referate von Gutachten Ulms und Nürn­bergs bei Friedensburg Speyer 1526 245 Anm. 4, 248.

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