Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)

LAUBACH, Ernst: „Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert. Zu Inhalt und Funktion eines politischen Begriffes

4 Ernst Laubach in Vorgängen auf dem dritten Nürnberger Reichstag von 1524. Um ihren Stellenwert abzuschätzen, müssen wir zurückgehen bis zur ersten Forde­rung nach einem „Nationalkonzil“. Obwohl während des Wormser Reichstages von 1521 der Ruf nach einem Konzil nach dem Eindruck der päpstlichen Vertreter in Deutschland sehr populär war n), gehörte zu den Beschlüssen dieses Reichstages kein Punkt, der die Einberufung einer Kirchenversammlung verlangt hätte. Die Emp­fehlung, die der treu katholische Herzog Georg von Sachsen seiner sorg­fältigen Zusammenstellung von Beschwerden über kirchliche Mißstände beigegeben hatte, ein „gemein concilium“ sei der richtige Weg zur „ge­mein reformation“, war nicht energisch weiterverfolgt worden 12). Auch war es den Reichsständen in ihren — vom Kaiser nur noch tolerierten, nicht mehr unterstützten — Gesprächen mit Luther nicht gelungen, ihn zu einer vorbedingungslosen Überweisung der strittigen Fragen an ein Konzil zu bewegen 18). Die „Causa Lutheri“ sollte infolgedessen durch das Wormser Edikt geregelt werden. Doch als zwei Jahre später der Legat des frommen Papstes Adrian VI. in Verbindung mit dem Zugeständnis, daß eine Reform der Kirche an Haupt und Gliedern vonnöten sei, gleich­sam als Beitrag dazu die energische Unterdrückung der lutherischen Häre­sie forderte 14), antworteten die Reichsstände nun, dafür gebe es kein bes­seres Mittel, als wenn der Papst im Einvernehmen mit dem Kaiser binnen Jahresfrist ein Konzil in einer geeigneten Stadt in Deutschland veran­stalte („ein frei cristenlich concilium an ein bequeme malstat Teutscher nation“ — „liberum christianum concilium ad locum convenientem in natione Germanica“)15), und rückten dieses Ansinnen auch in den Ab­schied des zweiten Nürnberger Reichstages ein16). Bis zum Zusammen­tritt des Tridentinums sollte die Konzilsforderung in der politischen Dis­kussion ständig präsent bleiben. Indessen ging weder die vom kaiserlichen Gesandten Hannart den Reichs­ständen auf dem dritten Nürnberger Reichstag im Februar 1524 vorge­tragene kaiserliche Proposition auf die vorjährige Konzilsanregung ein, noch tat es der neue Legat Campeggio des neuen Papstes Clemens VII. bei seiner Adresse an den Reichstag; vielmehr wiederholten beide die Aufforderung nach Bekämpfung des Luthertums durch strikte Anwen­kirchlichen Entwicklung Deutschlands im Reformationszeitalter (Berlin 1887) 558—567. Die zitierten Stellen auf fol. 138rv, 139r (in der Edition 564, 565) und 128v, 129v. Vgl. dazu Friedensburg l.c. 413 Anm. 2. 11) Hubert Jedin Geschichte des Konzils von Trient 1: Der Kampf um das Konzil (Freiburg i. Br. * 1 2 * * * * *1951) 161 f. 12) Dazu H o f m a n n Konzilsfrage 14; Herzog Georgs Empfehlungen in Deut­sche Reichstagsakten Jüngere Reihe [= RTA JR] 2, bearb. von Adolf W r e d e (Gotha 1896) 666. is) Hof mann Konzilsfrage 29 mit Nachweisen. ii) Ebenda 43 f. is) RTA JR 3, bearb. von Adolf W r e d e (Gotha 1901) 424, 440. i«) Ebenda 746; dazu H o f m a n n Konzilsfrage 65 f.

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