Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 38. (1985)

LAUBACH, Ernst: „Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert. Zu Inhalt und Funktion eines politischen Begriffes

.Nationalversammlung“ im 16. Jahrhundert 3 von 1524 nicht mehr verfolgt worden 8). Die Beobachtung aber, daß auch im Vorfeld des Augsburger Religionsfriedens eine „nationalversamlung“ unter den Möglichkeiten genannt wurde, durch die vielleicht eine Lösung des Religionsproblems gefunden werden könnte, war Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit der Frage, ob in den fünfziger Jahren noch das­selbe intendiert war wie 1524. Die Untersuchung beruht ganz überwiegend auf gedruckten Quellen: Reichstagsakten, Fürstenkorrespondenzen, publizistischem Material. In mehreren Fällen mußte ich mich auch mit in der Literatur angebotenen Zitaten aus unpublizierten Quellen bescheiden; dies gilt vor allem für die dreißiger und vierziger Jahre, da die Reichstagsakten ab 1530 noch nicht ediert sind. Die ältere Literatur zu diesen Reichstagen ist in der Termino­logie nicht immer exakt, jedoch waren nur stichprobenartige Kontrollen an archivalischem Material möglich. I Das Kompositum „National-Versammlung“ taucht, soweit ich sehe, erst­malig in den Reichstagsverhandlungen des Jahres 1526 auf. Im Abschied dieses Reichstags wird nicht weniger als dreimal eine „national-versam- lung“ als Minimal-Alternative für ein — eigentlich erforderliches — Generalkonzil bezeichnet9): Der Kaiser wird ersucht, die notwendigen Schritte für die baldige Durchführung einer der beiden Veranstaltungen in Angriff zu nehmen (§ 1); und die berühmte Erklärung, daß man sich zwischenzeitlich in der Befolgung des Wormser Ediktes so verhalten wolle, wie man es vor Gott und dem Kaiser verantworten zu können hoffe, setzt als Endpunkt eben das Konzil oder die „national-versamlung“ (§ 4). Eben­so heißt es in der Instruktion für die vom Reichstag beschlossene Ge­sandtschaft der Reichsstände an den Kaiser, Wirren im Reich wie die im vergangenen Jahr erlebten könnten am besten vermieden werden „durch ein frey gemein general oder zum wenigsten nációnál versamlung“; wenn der Kaiser ein „gemein frey concilium“ nicht in angemessener Zeit er­reichen könne, möge er „ein frey nációnál versamlung aller stende teut- scher nacion an ein gelegne malstat in teutschen landen in bestimbter zeit furnemen und ausschreiben lassen“. Im Entwurf des Reichstagsaus­schusses, der diese Instruktion vorbereitet hatte, hatte man an allen Stel­len „nációnál concilium“ geschrieben10). Die Änderung hat eine Parallele 8) Karl H o f m a n n Die Konzilsfrage auf den deutschen Reichstagen von 1521—1524 (theol. Diss. Heidelberg 1932); Wilhelm Borth Die Luthersache (Causa Lutheri) 1517—1524 (Lübeck—Hamburg 1970). 9) Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede Teil 2 (Frankfurt am Main 1747) 273 f. 10) Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (HHStA) Mainzer Erzkanzlerarchiv, Reichstagsakten 4d fol. 134r—139v (Instruktion, Kopie) bzw. fol. 124r—132r (Entwurf, „eherster begrief“). Die Instruktion ist ediert in Walter Friedens­burg Der Reichstag zu Speier 1526 im Zusammenhang der politischen und l*

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