Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)
MARZAHL, Peter – RABE, Horst – STRATENWERTH, Heide – THOMAS, Christiane: Stückverzeichnis zum Bestand Belgien PA des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien
514 Literaturberichte auch nicht immer aufgrund amtlicher Quellen erarbeiteten) Statistiken und Interpretationen ihre Freunde gewinnen. Doch wer Wirtschaftsgeschichte auch als Sozialgeschichte begreift - wie dies ja auch in der modernen Forschung durch die begriffliche und disziplinäre Koppelung unterstrichen wird - mit all dem sozialen Umfeld und politischen Implikationen, in und unter denen die (später analysierbaren) Wirtschaftsprozesse ablaufen, den wird die vorliegende Studie wohl kaum zufriedenstellen können. Manfred Fink (Wien) Charlotte Heidrich Burgenländische Politik in der Ersten Republik. Deutschnationale Parteien und Verbände im Burgenland vom Zerfall der Habsburgermonarchie bis zum Beginn des autoritären Regimes (1918—1933) (Studien und Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte 4). Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1982. 204 S. Die Errichtung des Burgenlandes im Zuge der Ratifizierung der Friedensverträge von St. Germain und Trianon im Jahre 1921 und die verhängnisvollen Ereignisse in Schattendorf vom 30. Januar 1927: zwei Fixpunkte historischer Forschungstätigkeit, die das Burgenland wiederholt in den Blickpunkt allgemeinen Interesses rücken. Doch nur allzuoft verblassen hinter den „großen Ereignissen“, die gleichsam „Geschichte machen“, die vielen kleinen Zusammenhänge; Bausteine, die das Allgemeine erst entstehen lassen und in späterer .Folge verständlich machen. Einen Beitrag zur „politischen Kultur“ nennt die Vfn ihre Studie über das Burgenland der Zwischenkriegszeit bis zum Beginn des autoritären Regimes 1933 und läßt methodisch eine interessante Zielsetzung anklingen: den Versuch, das Individuelle einer politischen Landschaft herauszuarbeiten, um dadurch die Eigenständigkeit, die gegenseitige und unverwechselbare Einflußnahme von Bevölkerung und politischem System, in den Griff zu bekommen. Diesem methodisch schwierigen Ansatz vollinhaltlich gerecht zu werden, ist - dies darf vorweg festgestellt werden - der Autorin ganz vortrefflich gelungen. Bereits die Einleitung führt sehr plastisch in die besondere Vergangenheit des heutigen Burgenlandes, vornehmlich die Monarchie ab 1867, ein. Denn es war gerade dieser Raum des westlichen Ungarn, der seit dem Ausgleich eine rückläufige Entwicklung erfuhr. Von ungarischen Industrialisierungsmaßnahmen ausgeklammert, verblieben zwei Drittel der Bevölkerung in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt, deren eigentümliche Besitzverteilung selbst in der Zweiten Republik noch nicht zur Zufriedenheit aller gelöst werden könnte. Auch das Erziehungswesen erwies sich als rückständig und war stets Stütze von Magyarisierungsbestrebungen, die ihren Höhepunkt 1907 fanden, als ein Schulgesetz des Grafen Apponyi Ungarisch zur alleinigen Unterrichtssprache erklärte. Schwache Versuche einer Integration der Deutschen in Westungam bestätigen die Hypothese, „daß der Prozeß der Magyarisierung in Westungam bei gleichbleibenden politischen und sozialen Verhältnissen nicht aufzuhalten gewesen wäre“ (S. 35). Uneinheitlich und unkoordiniert verliefen die politischen Bestrebungen nach dem Zusammenbruch der Monarchie: Während man vornehmlich im Gebiet östlich des Neusiedler Sees für die Autonomie innerhalb Ungarns warb, wurde westlich des Neusiedler Sees gemäß der Forderung nach einem eigenen Bun-