Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)

MARZAHL, Peter – RABE, Horst – STRATENWERTH, Heide – THOMAS, Christiane: Stückverzeichnis zum Bestand Belgien PA des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien

Rezensionen 513 1918-1929 liegt nun in zwei Bänden vor. Vielversprechend umso mehr, als diese Studie im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, im Kul­turamt der Stadt Wien sowie im Verband der wissenschaftlichen Gesellschaf­ten Österreichs Förderer und daher gleichsam Bürgen gefunden hat. In der Einleitung verspricht der Autor einiges: die Abkehr von ausgetretenen Denkpfaden und die verstärkte Differenzierung und Prüfung der gängigsten Argumentationen über die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Nachfolgestaa­ten, insbesondere Österreichs. Umso mehr erlahmt die damit geweckte „histo­rische“ Neugierde, wenn der Vf. freimütig die Grenzen seiner Untersuchungen bekennt: Der Aufbau folge methodisch „weitgehend den durch das Angebot an heranziehbarer Literatur vorgezeichneten Bahnen“ (S. 10). An dem Bemühen, im selbständigen Quellenstudium eigene Forschungsergebnisse zu erarbeiten, scheint dem Autor von vornherein nicht viel gelegen gewesen zu sein. Eine Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse ohne Quellenstudium möglich­erweise perspektivisch in eine noch unbearbeitete Richtung hin auszurichten, erscheint hingegen aufgrund der vorhandenen „veralterten“ Literatur - dies beweist auch ein kurzer Blick ins Verzeichnis — als ein mühevolles und letztlich nicht unproblematisches Unterfangen. Die Beschreibung der Ausgangssituation nach dem Waffenstillstand und die Darstellung der eigenständigen Entwicklung der nationalen Wirtschaftskörper - dies sind die Gestaltungsprinzipien und zugleich auch schon die Arbeitshy­pothesen. Und so folgen dann darauf Thema und Variationen über den „Bruch der durch lange Jahrzehnte hindurch herausgebildeten fruchtbaren Arbeitstei­lung zwischen den agrarischen und den industrialisierten Kernländem Öster­reich-Ungarns“ (S. 4f). Daß innerhalb der zu strikt getrennten länderweisen Betrachtung die Ausfüh­rungen über diese Ausgangssituation nach dem Zusammenbruch der Monar­chie wiederkehren und die Lektüre kaum interessanter machen, liegt wohl hauptsächlich - neben den inhaltlichen Leerläufen - an der unglücklichen Methodenwahl. Denn zu sehr gleicht der Aufbau der sektoralen Perspektive - darunter versteht der Autor die länderweise Betrachtung (Österreich, Ungarn, Tschechoslowakei) von Landwirtschaft, Industrie, Außenhandel, Währung und Finanzen - dem Schubladenprinzip: hier viel Landwirtschaft, dort mehr Indu­strie; hier Import und dort Export. Diesem ersten Teil der sektoralen Perspektive (S. 12—554) steht eine wahrlich kursorische gesamtwirtschaftliche Perspektive (S. 555-619) gegenüber, in de­ren Verlauf der Vf. wiederum die zuvor säuberlich getrennten Wirtschaftssek­toren zu einer umfassenden gesamtwirtschaftlichen Darstellung verschmolzen wissen möchte. Wiederholt muß darauf hingewiesen werden: kein einschlägiges Aktenstudium der für die Fragestellungen in Betracht kommenden Ressorts und keinerlei Materialien, die nur irgendwie zu einer Differenzierung des tradierten wirt- schaftsgeschichtlichen Bildes der Nachkriegszeit hätten beitragen können. In dieser Untersuchung soll Geschichte durch Analysen von Statistiken lebendig werden. Dynamische Aspekte sowohl inhaltlicher als auch methodischer Natur fehlen jedoch gänzlich. Denn unter Wirtschaft scheint der Vf. einen eng begrenzten Begriff zu verstehen, der lediglich die Klammer von Produktion, Handel und Währung bzw. Finanzen zuläßt. In diesem Sinne mögen die (leider Mitteilungen, Band 37 33

Next

/
Thumbnails
Contents