Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)
MARZAHL, Peter – RABE, Horst – STRATENWERTH, Heide – THOMAS, Christiane: Stückverzeichnis zum Bestand Belgien PA des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien
510 Literaturberichte tiegeschichte verteidigt: „Das vorliegende Buch soll kein zusätzlicher Beitrag zu einer bereits sehr umfangreichen und umstrittenen Geschichte der Diplomatie am Beginn des Ersten Weltkriegs sein, sondern es soll, mit seinen Mängeln und Lücken, eine neue Phase der historischen Forschung einleiten helfen, in der es um die Wechselbeziehungen zwischen Innenpolitik, Konsensbildung und Außenpolitik geht.“ Diese Absicht bleibt freilich da und dort hinter der „Rekonstruktion der Ereignisse“, verborgen, doch ist diese selbst größtenteils neu, mit sicherem und ausgewogenem Urteil und so spannend vorgetragen, daß sie einer Rechtfertigung nicht bedürfte. Auf drei Teilprobleme sei hingewiesen, denen M. besondere Aufmerksamkeit schenkt: 1. Die Interventionen des Vatikans. Es wird gezeigt, daß Benedikt XV. keineswegs einseitig intervenierte und nur das Ziel vor Augen hatte, eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Österreich und Italien zu verhindern. 2. Die Frage der Aufrichtigkeit der österreichischen (und deutschen) Kompensationsangebote. M. betont aufgrund einer sorgfältigen chronologischen Differenzierung, daß die Angebote weitgehend aufrichtig gemeint und nur in der allerletzten Phase, als die Entscheidung praktisch gefallen war, teilweise mit heimlichen Vorbehalten versehen waren. 3. Die sogenannte neutralistische Maiverschwörung. Der Autor kommt zum Ergebnis, daß man von einer Verschwörung zwischen Bülow und Giolitti zum Sturz der Regierung Salandra nicht reden kann, auch wenn die deutsche Diplomatie diesen Sturz zweifellos herbeiführen wollte. M’s Buch ist in italienischer Sprache 1971 erschienen. Für die Verzögerung im Erscheinen der deutschen Ausgabe entschädigt die exzellente Übersetzung und ein interessantes Nachwort des Verfassers. Stefan Malier (Wien) Richard Schober Die Tiroler Frage auf der Friedenskonferenz von Saint Germain (Schlern-Schriften 270). Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1982. 606 S., 30 Beilagen, 15 S. Abb. Der Inhalt der vorliegenden umfangreichen Arbeit geht weit über das hinaus, was man aufgrund des Titels erwartet. Wie kam es zur Brennergrenze, zum „schicksalsschweren Verlust“ Südtirols? Das ist die Grundfrage, die Sch. wieder aufgreift. Erster Impuls für die neuerliche Befassung mit dem Thema war eine neue Quelle, nämlich das vom christlichsozialen Tiroler Politiker Dr. Franz Schuhmacher, der mit zwei weiteren Tirolern der österreichischen Delegation in Saint Germain angehörte, dort selbst verfaßte Tagebuch (es wird im Anhang abgedruckt). Ausgehend davon hat sich Sch. durch das gewaltige Quellenmaterial und die Literatur vor- und zurückgearbeitet bis in die Zeit der Entstehung des Londoner Vertrags vom 26. April 1915 bzw. bis zu den Anschlußabstimmungen in Tirol am 24. April 1921. Schwerpunkt sind die Vorgänge des Jahres 1919, und zwar nicht nur in Paris, sondern auch in Nord- und Südtirol selbst. Dieses Material legt Sch. in einer minutiösen, ja geradezu ausufernden Darstellung dem Leser vor. Im Großen gelingt die Bändigung des Stoffes durch eine klare Teilung in drei Handlungsstränge: 1. Die Großmächte, angefangen vom Einbau der Brennergrenze in den Londoner Vertrag über die Vorbereitung der Friedenskonferenz, besonders die Haltung Wilsons zur Nordgrenze Italiens, bis hin zu den Diskussionen im Rat der Vier in Paris. 2. Die Außenpolitik des jungen deutsch-österreichischen Staates, und 3. die lokale Ebene, also die Tiroler und Südtiroler Versuche, in das Geschehen