Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)

MARZAHL, Peter – RABE, Horst – STRATENWERTH, Heide – THOMAS, Christiane: Stückverzeichnis zum Bestand Belgien PA des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien

Rezensionen 509 Mittelmächte von allergrößter Bedeutung sein; deshalb müsse sich Österreich mit der italienischen Regierung über die Kriegsziele in Serbien verständigen. Bei Kompensationsverhandlungen gemäß Artikel VII des Dreibundes sei an das Trentino zu denken. Am 6. August, nach Ausbruch des Krieges, forderte der deutsche Botschafter in Wien vom österreichischen Minister des Äußern Berch- told in feierlicher Form die Abtretung des Trentino. Die österreichische Ableh­nung wurde damit begründet, daß der Kriegseintritt Italiens auf seiten der Mittelmächte dadurch nicht erreicht werden könnte, höchstens die Beibehal­tung der Neutralität, daß Italien weitere Forderungen stellen werde und daß auch andere Staaten Gebietsabtretungen fordern könnten. Wenige Wochen später sprach der italienische Außenminister di San Giuliano zum deutschen Botschafter in Rom in aller Offenheit von der Gefahr für die italienische Monarchie, wenn es der Regierung nicht gelinge, aus der Krise gewisse Vorteile zu ziehen. Damit waren die Grundtöne angeschlagen, die in den Monaten nach Kriegsbe­ginn die Diplomatie im Dreieck Rom, Berlin und Wien beherrschten: Italien, zunächst fast einstimmig für die Neutralität in diesem von Österreich-Ungarn und Deutschland begonnenen Krieg, geriet zunehmend unter den Druck der interventionistischen Strömungen; Deutschland wußte um den hohen poli­tisch-militärischen Wert der Neutralität Italiens und übte Druck auf Öster­reich aus, den Preis für diese Neutralität zu zahlen; Österreich hielt diesem Druck stand und wich nur in kleinen, aus deutsch-italienischer Sicht ungenü­genden Schritten zurück. Eine besondere Maßnahme Berlins in diesem Zusammenhang war die Entsen­dung des ehemaligen Reichskanzlers Bernhard Fürst von Bülow als Sonderbot­schafter nach Rom. Bülow, schon 1893-1897 Botschafter in Rom, war mit einer italienischen Prinzessin verheiratet, weilte oft in Rom und war in den einfluß­reichen italienischen Kreisen ein hochgeachteter Mann. Seinen Beziehungen und seinem diplomatischen Geschick sollte es gelingen, Italien beim Dreibund zu halten. Bülow erkannte die schwierige innenpolitische Situation Italiens und wurde zum beständigen und hartnäckigen Mahner einer österreichisch­italienischen Einigung. Seine Person und Mission stehen im Mittelpunkt der Untersuchung von M., der dem Fürsten eine keineswegs unkritische, aber doch unverhohlene Sympathie entgegenbringt. Doch ist das vorliegende Buch keine Biographie, aber auch keine rein diplomatiegeschichtliche Abhandlung über die Bemühungen Deutschlands, das alte und wieder akute Problem des italie­nisch-österreichischen Gegensatzes im Vermittlungsweg zu lösen. Das zentrale Thema des Buches ist es vielmehr, das Scheitern der deutschen Politik und der Sondermission Bülows aus den innenpolitischen Bedingungen der drei betei­ligten Länder heraus sichtbar zu machen. Bülow, Erzberger, Salandra, Sonni- no, Burian, Tisza, Bethmann Hollweg, Jagow, Conrad und Falkenhayn, Franz Joseph und Benedikt XV. sind zwar die handelnden Personen, deren Ansichten und Entschlüsse Schritt für Schritt aus den diplomatischen Akten und aus der Memoirenliteratur entwickelt werden, hinter ihnen stehen aber Konzeptionen, Kriegsziele, Interessen, politische Gegner, öffentliche Meinung, Wirtschafts­kreise, Propaganda usw. M’s Ziel ist es, „die enge Verknüpfung zwischen den diplomatischen Verhandlungen und der Gesellschaft der beiden Länder zu zeigen“. Noch deutlicher formuliert es der Autor im Nachwort zu dieser deutschen Ausgabe, indem er sich zugleich gegen den Vorwurf reiner Diploma-

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