Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)
MARZAHL, Peter – RABE, Horst – STRATENWERTH, Heide – THOMAS, Christiane: Stückverzeichnis zum Bestand Belgien PA des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien
484 Literaturberichte Stellung, daß die in friderizianischer und maximilianeischer Zeit ausgebildeten Formen von Landesverwaltung und Landesverteidigung in den Dimensionen der neuen internationalen Konflikte, besonders im Hinblick auf die Türkengefahr, bestehen könnten, bildete vielleicht für die Zeitgenossen eine wunschorientierte Zuflucht, die Unabsehbarkeit der Bedrohung mit vertrauten Mitteln meistern zu können. Eine Kostenschätzung, derzufolge die Kriegsmaschinerie einer durchorganisierten Macht weniger durch die bescheidenen Möglichkeiten ständischer Aufgebote als durch die finanziellen - und damit das militärische Äquivalent besorgenden - Mittel wirtschaftlich potenter außerständischer Faktoren eindämmbar war, wird nicht in Betracht gezogen. Bedenkt man die ganze Problematik der Anfänge Ferdinands, vor allem den durch die Politik Maximilians angewachsenen Schuldenberg, aber auch die Versuche, den Staatshaushalt in den Griff zu bekommen, dann erweist sich für den Historiker die Notwendigkeit, den Rechenstift anzusetzen, das heißt: das durch die ständische Initiative erreichbare Defensivvolumen gegenüber dem vom landesfürstlichen Zentralismus - mit all seinen Schwächen - im Verein mit den von finanziell maßgeblichen Faktoren im Wege unvermeidbarer, wenngleich hochverzinster Antizipationskredite erreichbaren Kräften abzuwägen. Das keineswegs für den (dergleichen Kalkulationen unzugänglichen) ständischen Standpunkt sprechende Ergebnis hätte der Autor - dem ja die materialreichen, wenngleich zum Teil chaotischen Zusammenstellungen Götz von Pölnitz’ zur europäischen Finanzgeschichte dieser Zeit noch nicht Vorlagen - auch aus älteren Werken (etwa Max Jansen Jakob Fugger der Reiche [Leipzig 1910]) ablesen können. Klagen wie die Dietrichsteins (S. 108f) über die in kritischer Situation fühlbare Absenz sonst so anspruchsvoller Zentralinstanzen gab es schon früher, und sie sollten in den folgenden Jahrhunderten nicht verstummen. Die „weltgeschichtliche Wende“ reduziert sich letztlich auf den Teilaspekt einer viel umfassenderen Entwicklung. Viel entscheidender für die hier in den Vordergrund gestellte Problematik ist, daß der sich zögernd einstellende Erfolg in der Türkenabwehr weder auf ad hoc finanzierten Söldnerheeren, noch auf landschaftlich organisierter Landesverteidigung, sondern auf einem neuen System lokal fixierter, aber zentral gesteuerter Abwehr und Administration beruhte, - einem System, das eben in den hier behandelten Jahren seinen Anfang nahm, von S. jedoch mit keiner Silbe erwähnt wird. Abgesehen von diesen Überlegungen, deren Nachweis im Detail viel breiteren Raum erfordern würde, erscheint dreierlei bedenklich: Einmal hätte selbst die innerösterreichische Entwicklung einer breiteren Quellenbasis und einer umfassenderen Interpretation bedurft — und dabei hätten sich wohl wesentliche Korrekturen ergeben; weiters hätte der anspruchsvolle Titel auch eine subsidiäre Berücksichtigung der außersteirischen Entwicklung (zumindest soweit in Editionen überprüfbar) erfordert. Schließlich dürfte eine 1982 publizierte Arbeit die seit 1938 erschienene Literatur nicht gänzlich ignorieren. Wie immer man etwa zu den — zum Teil sehr gewagten — Folgerungen Konrad B. von Moltkes (Die Anfänge der ständischen Institutionen und das Eindringen des Protestantismus in der Steiermark zur Zeit Maximilians I. und Ferdinands I. [Göttingen 1970]) stehen mag, ihre Diskussion ist in der gegenwärtigen Forschungslage einfach unvermeidbar. So ergibt sich zwingend die Frage, warum eine vor viereinhalb Jahrzehnten geschriebene, damals sicher weiterführende Arbeit gerade jetzt unverändert