Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)
MARZAHL, Peter – RABE, Horst – STRATENWERTH, Heide – THOMAS, Christiane: Stückverzeichnis zum Bestand Belgien PA des Haus-, Hof- und Staatsarchivs Wien
Rezensionen 483 Ländern hinauslief. Alte Verwaltungseinrichtungen, die besonders für Krisenzeiten gedacht waren und sich zum Teil auch schon bewährt hatten, wurden vernachlässigt. Schon bei der ersten Gefährdung, dem Türkeneinfall in Krain, erwies sich die Unhaltbarkeit des neuen Systems: Die nach obenhin geschwächte, nach untenhin aufgewertete Zentralbehörde verfügte weder über Autorität noch über Ereignisnähe, um eine Katastrophe abwenden zu können. Den kompetenten landschaftlichen Faktoren hingegen war der Aktionsradius dermaßen beschnitten worden, daß sie bei bestem Willen nicht erfolgreich werden konnten. Aus den Erfahrungen dieses Versagens resultierte - etwa ein halbes Jahrzehnt nach Antritt der Herrschaft - ein Umdenken Ferdinands, das a) eine „innere Umstellung des Herrschers“ und b) eine „weltgeschichtliche Wende in ihrer Umwelt“ zur Folge hatte (S. 152). Verbal sorgten die Stände durch „Kühnheit und Klarheit“, in ihrer Effizienz durch „Treue und Brauchbarkeit“ für eine Atmosphäre, die den Ausbau der landständischen Verfassung im Wesen und in ihren Organen - breiten Raum nehmen die Ausführungen über die ständischen Verordneten ein - sowie die endgültige Arbeitsteilung zwischen Fürst und Ländern garantierte (S. 142 ff). Im vertrauten Schema des Dualismus gab demzufolge das so positiv bewertete Verhalten der (innerösterreichischen) Stände den Ausschlag: Das Landesfürstentum wurde in dem Moment akzeptabel, in dem es sich den Wünschen der Landschaft fügte. Daß diese Wünsche für die weitere Entwicklung der Erblande ein ausschließlich positives Element darstellten, wird als Dogma vorausgesetzt. Ein landesfürstliches Alternativkonzept scheint nicht zu existieren. Überhaupt sind Ansätze im landesfürstlichen Bereich - ob aus maximilianeischer Tradition, aus Spanien, den Niederlanden oder von sonstwo stammend - als Fremdkörper nicht vorhanden oder werden als Irrläufer abgewertet. Es existiert jedoch noch eine zweite, fast gleichzeitig veröffentlichte Rekonstruktion der landesfürstlich-ständischen Wechselwirkungen derselben Epoche, ebenfalls gemessen an ihrer Effektivität gegenüber der türkischen Bedrohung1): In verfrühter Befürchtung eines osmanischen Großangriffes habe demnach Ferdinand - in völliger Übereinstimmung mit Dietrichstein (der bei S. als Exponent der oppositionellen Landesinteressen erscheint) - im Mai 1522 Vorsorge für Landesaufgebot, Bewaffnung, Zuflucht etc. getroffen, womit Landesfürst und Landeshauptmann gemeinsam „rascher, feinsinniger und mit allen Einschränkungen aktiver“ gehandelt hätten als das unmittelbar betroffene Ungarn. Erst nach Mohács sei „das brennende Interesse der Steirer an der Entwicklung an ihren östlichen und südöstlichen Grenzen“ erwacht. Die ständische Mentalität auf „lokalpatriotischer Ebene“ - dafür werden sehr konkrete Beispiele erbracht - habe jedoch ein umfassendes, vom Landesfürsten erstrebtes Vorgehen verhindert, und erst nach 1529 fanden sich die Stände der drei innerösterreichischen Länder zu einer Koordination bereit, - unzureichend (durch „fehlendes echtes Engagement bei gleichzeitigem Großreden, wortreich abgehandelten Theorien und der Unfähigkeit, beste Planungen auch bloß reduziert zu verwirklichen“), wie das Jahr 1532 beweisen sollte. Ohne das Wagnis eingehen zu wollen, innersteirische Unstimmigkeiten über Sonnen- und Schattenseiten ständischen Strebens zu klassifizieren, erscheinen hier doch einige Bemerkungen zur Größenordnung der auf ständischer Basis erreichbaren und andererseits erforderlichen Potenzen angebracht. Die Vor’) Franz Otto Roth Zur türkischen Bedrohung der historischen Steiermark 1521-1531. Ständedenken, Länderpartikularismus, Fremdenhaß und gesamtstaatliche Bemühung des Landesfürsten im Widerstreit in Siedlung, Macht und Wirtschaft. Festschrift Fritz Posch zum 70. Geburtstag (= Veröffentlichungen des Steiermärkischen Landesarchivs 12, 1981) 351-367. 31