Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)
SPIELMAN, Danila Cole – THOMAS, Christiane: Quellen zur Jugend Erzherzog Ferdinands I. in Spanien. Bisher unbekannte Briefe Karls V. an seinen Bruder (1514–1517)
Quellen zur Jugend Erzherzog Ferdinands I. 19 unseren Briefen aus einer kleinen Anzahl von öfters wiederholten gleichbleibenden Wendungen mit erzählenden Einschüben zusammen. Einige dieser feststehenden Phrasen, speziell solche, die Befehle, Belohnungen oder Mißfallen ausdrücken, sollen dem Leser nähergebracht werden. Da man Ferdinand als dem Erben des Königs (Karl) nicht direkt befehlen kann, wird der Befehl in die Form eines Ersuchens (mit dem Zeitwort „pedir“) oder eines Rates (mit dem Zeitwort „rogar“) gekleidet und höflich mit „muy affec- tuosamente“ eingeleitet. Handelt es sich um einen wichtigen Gegenstand, wird direkt angewiesen, so oder so vorzugehen, oder indirekt von „asi devreys hazer“ — man sollte in diesem Sinn Vorgehen — gesprochen. Immer wieder üblich ist, die Anordnung durch „somos muy servido“ (mit der Befolgung käme Ferdinand Karl entgegen) oder mit der Zukunftsform „haceremos gran placer“ (Karl wird zufriedengestellt sein) zu verstärken. Beide Wendungen für das Wohlgefallen des Briefstellers gebrauchen das für den König in Rede und Schrift geläufige „wir“, doch greift Karl auch zum Singular „ich“, der aber nicht als Zeichen der familiären Vertrautheit aufzufassen ist. Eine bestimmte Regel für „wir“ oder „ich“ scheint nicht vorzuliegen, wenn es auch möglich ist, darin einen Hinweis auf das persönliche Diktat Karls zu erblicken. Leider kann diese Vermutung nicht bewiesen werden. Im Gegensatz zu den frühesten bilden bei den späteren Briefen konkrete Forderungen den Inhalt, wobei dem Ansuchen eine Belohnung (im weitesten Sinn) entsprach. So sehr es nach Routine klingt, ist doch die Anrede mit dem Titel nicht zuletzt eine Anerkennung des Ranges Ferdinands. Ab n. 3 (Bauer FK n. 5) spricht Karl, der mit dem Zeitpunkt des Todes Ferdinands von Aragon als Vormund des Jüngeren fungiert, Ferdinand als seinen Bruder an, dem gegenüber er als „verdadero hermano y padre“, als wahrer Bruder und Vater, auftreten wird, der sich um die ehrenvolle Position und das Avancement („honra y acrescentamiento“) des Infanten kümmern wird: Karl liebt seinen Bruder, wie es rechtens ist („como es razön“). Diese Formulierungen wiederholen die Schreiber in fast jedem Brief. Andere belohnende Aussagen lauten konkreter. Das beste Beispiel hiefür ist n. 6 (Bauer FK n. 5 c), wo Karl versichert, Ferdinand als seinen Bruder als ersten über die geplante Reise nach Kastilien informieren zu wollen. N. 8 (Bauer FK n. 6 a) setzt diesen Vorsatz mit Angaben über den Termin in die Praxis um. In n. 7 (Bauer FK n. 5 d) entspricht Karl dem Wunsch Ferdinands nach Förderung Adrians von Utrecht, ohne Erkundigungen von anderer Seite einzuziehen. Zweifellos wird hi emit das Vertrauen des älteren in die Äußerung des jüngeren Bruders betont, die eine Überprüfung überflüssig macht. Dagegen bieten nn. 6 und 9 (Bauer FK nn. 5 c und 8) sprachliche Beispiele für das Mißfallen des Königs mit seinem Erben. Während n. 6 ein bisher nicht eingetroffenes Dokument einmahnt, handelt es sich in n. 9 um ein äußerst heikles Problem, das Ferdinands Hofstaat betrifft. Behutsame Wortwahl muß - berechtigte - Entrüstung Ferdinands darüber verschleiern, daß seine Erzieher 2*