Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)
SPIELMAN, Danila Cole – THOMAS, Christiane: Quellen zur Jugend Erzherzog Ferdinands I. in Spanien. Bisher unbekannte Briefe Karls V. an seinen Bruder (1514–1517)
Quellen zur Jugend Erzherzog Ferdinands I. 13 tig ausgewiesen war. Eine Kette von Vermutungen, mag eingewendet werden, doch da keine konkrete Aussage irgendeines Beteiligten feststellbar ist, sind wir auf derartige Überlegungen angewiesen. Das „Verhängnis“ für Bauer war, daß sich Winter anscheinend 18 Jahre nach der Baumgarten-Episode nicht mehr an seine Aushebetätigkeit erinnerte. Hatte er noch dazu vergessen, durch einen Steckzettel mit seiner Namensparaphe im Faszikel die Stelle zu kennzeichnen, an der die von ihm entfernten Folien ordnungsgemäß eingelegt waren, dann war jede Spur zu ihrer „Rückgewinnung“ getilgt. Leider verabsäumte man es, die Wiederauffindung Bauer oder seinem Nachfolger als Editor Robert Lacroix, der selbst bis 1934 dem Verband des Haus-, Hof- und Staatsarchivs angehörte51), mitzuteilen: Sicher hätte Lacroix die Chance genützt und im zweiten Band der ferdinandeischen Familienkorrespondenz einen Nachtrag gestaltet. Dahinter steckte nicht bewußtes Verschweigen: Man war einfach davon überzeugt, so wie wir alle davon überzeugt waren, daß Bauer alles gedruckt hatte, was nur irgend über die Jahrhunderte hinweg erhalten geblieben war. Bauers Arbeiten zeichneten sich durch eine solche überlegene Quellenkenntnis aus, daß nicht die geringste Ursache bestand, speziell im Wiener Archiv seine Materialstudien Stück für Stück nachzuprüfen oder gar ihn mißtrauisch zu kontrollieren. Auch in der jüngsten Biographie Ferdinands von Paula S. Fichtner, die in überwiegendem Ausmaß auf familiärer Korrespondenz fußt, sind die zehn Briefe nicht verwertet, obwohl der Autorin anders als Bauer alle Archivbehelfe zugänglich waren und ihr mit der Bestellung des Kartons 1 auch tatsächlich die unbekannten Schreiben ausgefolgt worden wären. Noch eine letzte Frage wollen wir zu klären versuchen, um damit auf Inhalt und Tragweite der Korrespondenz einzugehen: Wie gelangte sie ins Wiener Archiv, läßt sie sich hier weiter als bis zu dem Zeitpunkt zurückverfolgen, als Meiller sie in der schützenden Hülle zusammenfaßte und die Titelzeile schrieb? Wohlgemerkt: für ihn beinhaltete der Umschlag nur zehn Schreiben aus den Jahren 1514-1517, die eine Einheit bildeten. Die Vermehrung auf zwölf Stücke ist späterer Zusatz, noch 1870 bezog sich die Eintragung bei Thomayr auf die Meillersche Anzahl. Mit Bleistift wurde dann im Archivbehelf 298 sowohl das Jahr 1517 als auch die Zahl 10 gestrichen und durch 1554 und 11 ersetzt. Der letzte Zuwachs geschah durch ReinöhL, der Meillers Angabe über 10 Stück auf der Hülle in 12 korrigierte und damit den chiffrierten Brief von 1537 einschob. Daß die beiden zeitlich so weit auseinanderliegenden Korrespondenzstücke Karls nicht dem ursprünglichen Konvolut zuzurechnen sind, wird durch zwei weitere Beobachtungen erhärtet: Alle frühen Dokumente sind durchwegs oben und unten beschnitten und zwar weit mehr, als erforderlich gewesen wäre, um eingerissene Ränder zu eliminieren52). Hingegen stimmt das Format der beiden 51) Ebenda 76f. 52) Besonders auffallend ist dies bei fol. 68, dem ersten Brief und gleichzeitig dem einzigen französischen Original, wo im Verhältnis zu den übrigen verkürzten Formaten noch fast um die Hälfte reduziert wurde.