Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 37. (1984)

SPIELMAN, Danila Cole – THOMAS, Christiane: Quellen zur Jugend Erzherzog Ferdinands I. in Spanien. Bisher unbekannte Briefe Karls V. an seinen Bruder (1514–1517)

2 Danila Cole Spielman und Christiane Thomas sen. Bei Ferdinand I. mag in den Augen der österreichischen Forschung noch hinzukommen, daß Kindheit und Jugend sich räumlich weit entfernt vom Schauplatz des handelnden Herrschers abspielten und daß Erziehung und Lernprozeß abgeschlossen waren, als Ferdinand in den Erblanden eintraf. Wenn nun mit Bauers umfassenden Nachforschungen ein erstes Ergebnis vorlag1) und fünf Jahre später seine Edition der ferdinandeischen Familienkor­respondenz2) nicht mehr als fünfzehn Briefe für die „vor-österreichischen“ Jahre auswies, schienen die Möglichkeiten erschöpft, darüber hinaus nach Unbekanntem zu suchen. Hätte dies nicht auch in gewissem Maß Mißtrauen gegenüber Bauer gezeigt, der fast alle in Betracht kommenden Archive selbst aufgesucht hatte — Brüssel, Lille, Neapel, Rom, Wien — und sich vergewissert hatte, daß Simancas nichts beisteuern konnte? Daß wir heute aufgrund der Rechenbücher des Didier Boisot das Itinerar Ferdinands in den Niederlanden auf stellen können3) und frühe Hofstaatslisten für den kleinen Infanten in Spanien kennen4), ändert nichts an der dürftigen Ausbeute an persönlicher Korrespondenz. Daß gerade in dem Archiv, das Bauer räumlich am nächsten und ihm am leichtesten zugänglich war, bisher unbekannte frühe, höchstwahrscheinlich die frühesten Briefe des älteren an den jüngeren Bruder auftauchen sollten, grenzt an Unglaubwürdigkeit. Im Herbst 1983 stieß die amerikanische Histori­kerin Danila Cole Spielman bei der systematischen Erfassung aller Quellen des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, die den Beginn der habsburgischen Herrschaft in Spanien beleuchten, auf ein schmales Konvolut mit der deutli­chen Archivarsbeschriftung: „1514-1554 K. Karl V. 12 Stk. an seinen Bruder Ferdinand“. Diese Tatsache an sich besagte nichts Außergewöhnliches, denn in Karton 1 des Bestandes Familienkorrespondenz A — einer Abteilung des Habs­burg-Lothringischen Familienarchivs — Teile des Schriftwechsels zweier Mit­glieder des Hauses Österreich festzustellen, ist als selbstverständlich anzuneh­men. Trotzdem verbarg sich hier eine Überraschung: Zehn der zwölf Schrift­stücke stammen aus dem Zeitraum 1514-15175), der durch Bauers Edition erfaßt worden war. Erstaunlicherweise ergab die Überprüfung, daß sie im ‘) Immerhin gelten 128 Seiten der Bauerschen Anfänge der Zeit vor der Ankunft in einem österreichischen Erbland; Bauer Anfänge 129: Am 26. Mai 1521 zog Ferdinand in Linz ein. 2) Die Korrespondenz Ferdinands I. 1: Familienkorrespondenz bis 1526, bearb. von Wilhelm Bauer (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Öster­reichs 11, Wien 1912) (künftig Bauer FK). 3) Dr. Gerhard Rill, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, machte mich auf das Rechenbuch des Didier Boisot für die Jahre 1518—1519 aufmerksam, das sich als Hand­schrift B 3352 in den Archives Départementales du Nord (Lille) befindet. 4) Nicholas Castrillo Benito Tradition und Wandel im fürstlichen Hofstaat Ferdi­nands von Österreich 1503-1564 in Mittel und Wege früher Verfassungspolitik (Kleine Schriften 1, Stuttgart 1979) 406-455. 5) Fol. 68 (1514 Dezember 4) - fol. 78 (1517 Oktober 26); fol. 79-80 datiert von 1538 Februar 9, fol. 81-82 von 1554 Dezember 23.

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